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Ermittlungen gegen Italiens Innenminister

Vorwurf lautet auf Freiheitsberaubung, da Matteo Salvini Bootsflüchtlingen zunächst den Landgang verweigerte. Vizepremier Luigi Di Maio droht mit Einbehaltung von EU-Beiträgen

Aus Rom Michael Braun

Zehn Tage nach ihrer Rettung konnten die seitdem auf dem Schiff der italienischen Küstenwache „Diciotti“ festgehaltenen 137 Flüchtlinge am Sonntag im sizilianischen Catania endlich an Land gehen. Zugleich wurde bekannt, dass Italiens Justiz gegen den Innenminister und Chef der Lega, Matteo Salvini, ein Ermittlungsverfahren wegen Freiheitsberaubung eingeleitet hat.

Seitdem die „Diciotti“ am 16. August 190 Menschen zwischen Malta und Sizilien aus Seenot gerettet hatte, hatte Salvini die Angelegenheit zur Chefsache gemacht, um ein Exempel seiner harten Linie gegen Mi­gran­ten zu statuieren. Ursprünglich hatte er von Malta verlangt, die Flüchtlinge aufzunehmen, da die Rettung in der Such- und Rettungszone erfolgt sei. Nach der Weigerung des Inselstaats ging die „Diciotti“ vor Lampedusa vor Anker: Salvini verweigerte einem Schiff der eigenen Küstenwache das Anlegen in einem italienischen Hafen.

Gelöst schien der Fall vor einer Woche, als Verkehrsminister Danilo Toninelli vom größeren Koalitionspartner, dem Movimento5Stelle (M5S, 5-Sterne-Bewegung), das Schiff zum Hafen Catania beorderte. Doch Toninelli hatte die Rechnung ohne Salvini gemacht. Der ist als Innenminister für die Auswahl des jeweiligen Hafens zuständig, an dem Flüchtlinge an Land gehen und registriert werden. Salvini nickte zwar die Einfahrt der „Diciotti“ in den Hafen Catania ab – nicht aber den Landgang der Migranten. Den werde er erst gestatten, so der Lega-Chef, wenn Europa sich zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit erkläre. „Italien ist nicht mehr das Flüchtlingslager Europas. Auf meine Anweisung geht niemand von der ‚Diciotti‘ runter“, lautete ein Tweet der letzten Tage.

Verlassen konnten das Schiff nur 43 Flüchtlinge, entweder weil sie unbegleitete Minderjährige waren oder sich in kritischem Zustand befanden. So bestand bei einigen von ihnen der Verdacht auf Tuberkulose und Lungenentzündung. Der Rest musste tagelang auf dem Militärschiff ausharren. Die Flüchtlinge schliefen auf dem Deck, der heißen Sonne ebenso wie Regengüssen ausgesetzt. Als am Samstag schließlich ein Teil von ihnen in den Hungerstreik trat, hatte Salvini wiederum nur Häme für sie übrig. Er denke an „die Millionen von Italienern in Armut, die jenes Essen gern akzeptiert hätten“, twitterte er. Wohin die Reise gehen soll, teilte er auch mit: hin zur „australischen Lösung“, der Totalabschottung.

„Italien ist nicht das Flüchtlingslager Europas“

Matteo Salvini, Innenminister

Doch am Freitag zerschlug sich die Hoffnung, auch diesmal könnten andere EU-Länder Flüchtlinge übernehmen: Ein Sherpa-Treffen von zwölf EU-Staaten in Brüssel endete ohne Ergebnis. Italien verschärfte den Ton. Der Vizepremier und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio stellte die Absicht in den Raum, Italien könne „an die EU abgeführte Beiträge in Höhe von 20 Milliarden Euro“ einbehalten, auch wenn es in Wirklichkeit nur 14 Milliarden sind, denen 11,5 Milliarden gegenüberstehen, die Italien aus EU-Töpfen erhält. Zugleich steht die Drohung im Raum, die anstehenden Haushaltsverhandlungen der Europäische Union zu blockieren.

Das Schiff verlassen konnten die Flüchtlinge schließlich erst am Sonntag, nachdem Irland und das Nicht-EU-Land Albanien sich zur Übernahme von je 20 bis 25 Personen bereit erklärt hatten und die Katholische Kirche Italiens die Unterbringung der verbleibenden Migranten übernehmen will. Salvini muss sich jetzt einem Verfahren wegen Freiheitsberaubung stellen. Auf seine Anordnung hin waren die Flüchtlinge ohne Rechtsgrundlage und richterliche Anordnung zehn Tage festgehalten und in Geiselhaft genommen worden. Salvini gab zurück, er betrachte die Ermittlungen als einen „Verdienstorden“.

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