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Der Meister als Außenseiter

Trotz einem 32:29 im ersten Saisonspiel traut kaum jemand dem deutschen Handballmeister SG Flensburg-Handewitt die Titelverteidigung zu. Eine Rolle, die dem Überraschungsteam der Vorsaison liegen könnte

„Ich glaube schon, dass man – in Anführungsstrichen – in den letzten Zügen liegt“

Holger Glandorf, 35

Zwölf Wochen nachdem die SG Flensburg-Handewitt mit dem überraschenden Gewinn der Deutschen Meisterschaft eine ganze Region in Freudentaumel gestürzt hat, schien eine vorzeitige Winterdepression an der Förde Einzug gehalten zu haben. Erst traute keiner der achtzehn Bundesliga-Trainer den Flensburgern beim traditionellen Meistertipp die Titelverteidigung zu und dann setze es im Supercup gegen die Rhein-Neckar Löwen eine deftige 26:33-Niederlage.Schließlich sagte Rückraumspieler Holger Glandorf in einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Ich glaube schon, dass man – in Anführungsstrichen – in den letzten Zügen liegt.“ Sein Körper signalisiere ihm, langsam ans Aufhören zu denken.

Die Kraft des 35-jährigen Routiniers reichte immerhin noch dazu, am Samstag neun Tore beim 32:29-Sieg über GWD Minden zu erzielen und damit einen Fehlstart in die Saison zu vermeiden. Rhetorisch ruderte der gebürtige Osnabrücker dann auch zurück. „Nun kommen die schnellen Beine wieder, wie überhaupt bei uns schon mehr Zug drin war als zuletzt.“

Dennoch bleibt der Titelverteidiger vorerst Außenseiter im Meisterschaftsrennen – hinter den hoch gewetteten Rhein-Neckar Löwen und dem Altmeister THW Kiel, dem die meisten Trainer nach zwei erfolglosen Anläufen den Titel wieder einmal zutrauen. „Wir sind im Umbruch“, sagt SG-Manager Dierk Schmäschke, „das müssen einige erst mal begreifen.“

Schon die Meisterfeier Anfang Juni war von sechs Abgängen getrübt. Besonders schmerzen die Verluste von Torwart Mattias Andersson und Spielmacher Thomas Mogensen, die Integration der sechs neuen Spieler ist längst nicht abgeschlossen. Man müsse die Situation „anders einordnen, als wenn wir mit der Vorjahresmannschaft antreten würden“, sagte Glandorf.

62 Gegentore in den zwei Spielen zeigen, dass die größte Baustelle in der Abwehr liegt – normalerweise das Paradestück der Flensburger. Kapitän und Abwehrchef Tobias Karlsson muss sich nicht nur auf die beiden neuen Torhüter Benjamin Burićund Torbjörn Bergerud einstellen, sondern hat auch im Mittelblock mit den Kreisläufern Johannes Golla und Simon Hald zwei neue Nebenspieler.

Obwohl der Sieg in Minden nach zwischenzeitlichem Vier-Tore-Rückstand hart erkämpft war, hellte er die Stimmung der Flensburger merklich auf. Neben Glandorf überzeugten vor allem die Außen Lasse Svan und Hampus Wanne. „Dieser Sieg war sehr wichtig“, sagte SG Trainer Maik Machulla. „Die Mannschaft hat erst angedeutet, dass in ihr viel Potenzial steckt.“

Wie nicht nur die vergangene Saison gezeigt hat, sind die Flensburger oft dann am stärksten, wenn sie aus einer Außenseiterrolle agieren können. Das könnte ihnen bereits am vierten Spieltag am 8. September zugute­kommen: Dann erwarten sie den THW Kiel.

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