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Ein Engagierter

Walter Oswalt, prägende Gestalt der frühen Frankfurter Grünen, ist tot

Walter Oswalt war eine der prägenden Gestalten in den frühen Jahren der Grünen-Partei in Frankfurt am Main sowie Mitglied ihrer Stadtverordnetenfraktion von 1981 bis 1984. Er machte früh auf sich aufmerksam: So berichtete die Zeit 1981 über den damals jungen Mann, der sich in einer Bürgerinitiative gegen die heiß umkämpfte Startbahn West engagierte: „Der 21-Jährige, hochaufgeschossen, noch ein wenig ungelenk wirkend, hat den leisen, beharrlichen Widerstand früh eingeübt. Intelligent, sensibel, phantasievoll und kreativ registrierte er schon als Kind die Umweltzerstörung um sich herum …“

Ich habe Walter Oswalt vor ziemlich genau einem Jahr in Frankfurt wieder – und ein letztes Mal – getroffen, Mitte Juli 2017 in den Räumen des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, wo sein letztes Buch unter dem Titel „No Mono – Kapitalismus ohne Konzerne. Für eine liberale Revolution“ vorgestellt wurde. Er selbst konnte an der ganzen Diskussion schon nicht mehr teilhaben, aber ich und andere Kommentatoren diskutierten angeregt, ob sich der klassische Ordoliberalismus etwa Walter Euckens, dessen Enkel Walter Oswalt war, mit einer linken, einer grünen Position vereinbaren ließe – für Walter Oswalt ein Herzensanliegen.

1959 geboren, studierte Walter Oswalt nach einer Ausbildung zum Facharbeiter im Gartenbau in Wien bei Karl Popper, dem jetzt wieder viel zitierten Autor des Buches „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, um dann Mitglied der ersten Fraktion der Frankfurter Grünen zu werden. Nach Tätigkeiten als freier Journalist und Dozent wurde er 1999 wissenschaftlicher Leiter des Walter-Eucken-Archivs in Frankfurt und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac. Er dachte ähnlich wie Karl Popper, dass übermäßiger, regulierender Moralismus in der Politik nur das Gegenteil von Freiheit befördere (aus dessen „Offener Gesellschaft“).

Die vielfältigen Interessen Walter Oswalts streiften nicht nur so fatale Gestalten wie Ernst Jünger und Kurt Waldheim, er engagierte sich nicht nur in Frankfurt am Bürgerprotest zur Rettung der Überbleibsel des ehemaligen Frankfurter Judenviertels am Börneplatz, nein, er publiziertes auch schon früh – als hätte er es geahnt – ein Buch zum neuen illiberalen, antiliberalen Populismus: „Die Rückkehr der Führer“.

Schon am 23. Juli ist Walter Oswalt nach langer Krankheit in Frankfurt am Main gestorben. In einer Zeit, in der angesichts von globaler Migration und wachsender Umweltproblematik besonnene, freiheitsliebende, humanitär gesonnene Stimmen so sehr gebraucht werden, wird seine fehlen. Micha Brumlik

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