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Visionär in einer düsteren Zeit

Kofi Annan, der im Alter von 80 Jahren gestorben ist, führte die Vereinten Nationen als Generalsekretär von 1997 bis 2006 auf Reformkurs. Ans Ziel gelangte er nicht. In Erinnerung bleibt er vor allem als Mahner

Aus Genf Andreas Zumach

Unter allen bislang neun Generalsekretären der UNO – der derzeitige Amtsinhaber Antonio Guterres mit eingeschlossen – war der Ghanaer Kofi Annan (1997 bis 2006) neben dem Schweden Dag Hammerskjöld (1953–61) der bedeutendste. Das war bei Annans Wahl durch den UN-Sicherheitsrat im Herbst 1996 keineswegs absehbar. Denn zuvor hatte die Clinton-Administration in Washington mittels Vetoandrohung nicht nur eine zweite Amtszeit von Annans ägyptischem Vorgänger Boutros Boutros Ghali verhindert, weil der nicht alle Weisungen der USA befolgt hatte. Auch die vier durchaus profilierten Afrikaner, die sich daraufhin um den Generalsekretärsposten bewarben, scheiterten an der Vetodrohung Washingtons.

Erst dann schlug die Clinton-Administration Annan vor, der bis dahin schon 34 Jahre in UNO-Diensten gewesen war – zuletzt als Leiter der Abteilung für Peacekeeping-Missionen in der New Yorker Zentrale. Begonnen hatte der 1938 geborene Ghanaer seine UNO-Karriere 1962 nach Abschluss seines Studiums in Genf als Mitarbeiter der dort ansässigen Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Die Umstände seiner Wahl zum Generalsekretär ließen Annan in den Augen vieler DiplomatInnen und MitarbeiterInnen bei der UNO zunächst als Büttel der USA erscheinen. Sogar das böse Wort von „Clintons Onkel Tom“ war anfänglich auf den Fluren der New Yorker UNO-Zentrale zu hören. Unter dem in der Reagan-Administration der 80er Jahre begonnenen finanziellen Erpressungsdruck der USA, die der UNO zeitweise mehr als 1,7 Milliarden US-Dollar Pflichtbeiträge schuldeten, war Annan in seinen ersten drei Amtsjahren genötigt, den UN-Haushalt und den weltweiten Personalbestand der UNO um mehr als zehn Prozent zu kürzen.

Handlungsfähigkeit der UNO stärken bei der Bewältigung globaler Herausforderungen

Doch ein erster Akt der Emanzipation gelang Annan, als er im Frühjahr 1999, nach dem von Washington provozierten Rauswurf der UNO-Waffenkontrolleure aus dem Irak durch Saddam Hussein, gegen den Willen der Clinton-Administration zu Vermittlungsgesprächen mit dem Diktator nach Bagdad reiste. Zwar erbrachten diese Gespräche kein konkretes Ergebnis. Sie verhinderten aber – zumindest in der Wahrnehmung vieler UNO-Staaten –, dass die USA schon damals in den Krieg gegen Irak zogen. Die dann 2003 erfolgte Invasion der USA und Großbritanniens im Irak kritisierte Annan als „ illegal“ und „völkerrechtswidrig“. Dass es „der UNO nicht gelungen ist, diesen Krieg zu verhindern“ ,war für ihn „die schwerste Stunde meiner Amtszeit“.

Annan erwies sich als treibende Kraft für Reformen mit dem Ziel, die Handlungsfähigkeit der UNO zu stärken bei der Verhinderung oder zumindest Eindämmung von Gewaltkonflikten sowie der Bewältigung des Klimawandels, der Aidskrise und anderer globaler Herausforderungen. Er ließ die „Mil­lenniumsziele zur Halbierung der weltweiten Armut“ erarbeiten, mit denen sich die 193 UN-Mitgliedstaaten im Jahr 2000 erstmals auf Erfolgsmaßstäbe für die globale Entwicklung einigten. Zudem bündelte Annan die in verschiedenen Unterorganisationen der UNO verzettelte humanitäre Hilfe in einer Nothilfekoordination. Der Generalsekretär engagierte sich für die 1998 erfolgte Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes zur Verfolgung von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit, Kriegsverbrechen und seit Kurzem auch Angriffskrieg. Und vor dem Hintergrund des Versagens der UNO, die Völkermorde in Ruanda 1994 und im bosnischen Srebenica 1995 zu verhindern, setzte er sich für die neue Norm der internationalen Schutzverantwortung ein, die 2005 von einem Gipfel der 193 UNO-Staaten in einer – allerdings völkerrechtlich nicht verbindlichen – Resolution beschlossen wurde.

Im selben Jahr 2005 präsentierte Annan der Generalversammlung einen umfassenden Reformplan (In größerer Freiheit: Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechte für alle) für die Vereinten Nationen mit 101 Empfehlungen. Davon haben die Mitgliedstaaten bis heute allerdings nur wenige umgesetzt, darunter die Reform der UN-Menschenrechtsinstitutionen.

Eine der wichtigsten Reden in Annans zehnjähriger Amtszeit war jene zur Eröffnung der Generalversammlung im September 2003. Darin beschwor der Generalsekretär die Mitgliedstaaten – vor allem jene im Norden –, sozioökonomische und ökologische Probleme wie Armut, Hunger, Aids oder Umweltzerstörung ebenso ernst zu nehmen als Herausforderung und Bedrohung der globalen Sicherheit wie den Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln.

Nach Ende seiner Amtszeit war Annan als Vermittler in politischen Krisenherden tätig, unter anderem in Kenia und in seinem Heimatland Ghana. Anfang 2012 wurde Annan von seinem Nachfolger Ban Ki Moon und vom Sicherheitsrat zum Vermittler im Syrienkonflikt berufen. Bereits im August 2012 trat er von dieser Funktion wieder zurück, verbunden mit scharfer Kritik an den Großmächten des Sicherheitsrates, die seine Bemühungen durch fortgesetzte Unterstützung der syrischen Kriegsparteien konterkarierten. Bis zu seinem Tod am Samstag nach kurzer schwerer Krankheit in einem Krankenhaus in Bern engagierte sich der knapp 80-Jährige in einer von ihm ins Leben gerufenen Stiftung weiter für die Ziele, der er als UNO-Generalsekretär vertreten hatte.

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