: Umbruch auch in Niedersachsen
Das Kino im Sprengel in Hannover zeigt in einer Reihe Dokumentarfilme zum Thema „Ansichten einer Revolte 1967 – 1969“
Von Wilfried Hippen
Auch in Hannover gibt es in diesem Jahr viele kulturelle Veranstaltungen zu 1968, einige von ihnen wurden im Programm „Ansichten einer Revolte 1967 – 1969“ gebündelt. Gerd Weiberg und Wolf-Dieter Mechler gaben eine Essay-Sammlung unter diesem Titel heraus, es gab Vorträge und Diskussionen, ein Theaterprojekt, Lesungen und eine literarisch-musikalische Revue zum 200. Geburtstag von Karl Marx. Abgeschlossen wird die Veranstaltungsreihe im August nun mit einem kleinen Programm mit Dokumentarfilmen, die das linksalternative Kino im Sprengel zeigt.
Nicht alle von ihnen haben einen direkten Bezug zu Hannover. Heute Abend beginnt die Reihe etwa mit zwei Filmen über die Initialzündung der Unruhen in Berlin. Mit „Wie starb Benno Ohnesorg – Der 2. Juni 1967“ von Klaus Gietinger und Margot Overath, der im letzten Jahr von der ARD produziert wurde, ist eine aktuelle Produktion im Programm. Der 45 Minuten lange Film rekonstruiert minutiös auf der Grundlage neu gefundener Akten, Fotos und Filmaufnahmen, was damals geschah.
Als passende Ergänzung dazu läuft die Fernsehdokumentation „Der Polizeistaatsbesuch“ aus dem Jahr 1967, mit dem der Schweizer Roman Brodman die Vorbereitungen zum Staatsbesuch des Schah von Persien und das riesige Polizeiaufgebot kritisch begleitete. Aus dieser Dokumentation stammen die einzigen Filmbilder vom Tod von Benno Ohnesorg. Sie gilt als einer der berühmtesten Dokumentarfilme des deutschen Fernsehens und wurde 1968 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet.
Am kommenden Mittwoch ist Helke Sanders Film „Mitten im Malestream“ aus dem Jahr 2005 zu sehen, der einen feministischen Gegenentwurf zu den gängigen Bildern und Geschichten von 1968 liefert, in denen fast nur Männer die Protagonisten sind. Sander skizziert dagegen die Anfänge der neuen Frauenbewegung. 1968 drehte Sander schon selbst Filme mit Titeln wie „Brecht die Macht der Manipulateure“ und „Rote Fahnen“, im selben Jahr hielt sie bei der Delegiertenkonferenz des SDS eine Rede, nach der es zu einem Tomatenwurf kam, der für viele als Beginn der Frauenbewegung in der Bundesrepublik gilt.
Den Abschluss der Reihe bilden zwei Dokumentationen von Günter Hörmann, der sie auch selber vorstellen wird. Hörmann war in den späten 1960er-Jahren Kameramann bei Spielfilmen wie Alexander Kluges „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ und drehte selbst Dokumentationen, die sich durch einen genauen, politisch analytischen Blick auszeichnen.
„Ruhestörung“, den er 1967 zusammen mit Hans-Dieter Müller drehte, beschreibt den Protest der Student*innen nach dem Tod von Benno Ohnesorg. Zu sehen sind darin auch Aufnahmen vom „Teach-in-Kongress“ in Hannover im selben Jahr. Der zweite Film, „Django und die Tradition“ dokumentiert schließlich die letzte SDS-Delegiertenkonferenz in Hannover im November 1968. Der Eintritt ist bei allen Veranstaltungen frei.
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