piwik no script img

Rot-Grün bedauert Berufsverbote

Hamburger Koalition will Radikalenerlass der 1970er-Jahre aufarbeiten lassen: „Verletzung wichtiger Grundrechte“

Die Regierungsfraktionen von Rot-Grün in Hamburg wollen den Radikalenerlass von 1972 aufarbeiten. Zugleich bedauerten beide Fraktionen in einer am Donnerstag verbreiteten Erklärung die Folgen des Erlasses. Bundesweit sei es zu rund 11.000 offiziellen Berufsverbots- und 2.200 Disziplinarverfahren gekommen. In 1.250 Fällen seien Bewerbungen abgelehnt, in 265 Fällen Menschen entlassen worden.

Auch in Hamburg habe der Erlass zur Überprüfung der „politischen Zuverlässigkeit“ von Bewerbern sowie Angestellten des Öffentlichen Dienstes geführt. Erst 1979 sei die entsprechende Richtlinie zur Umsetzung vom damaligen Ersten Bürgermeister Hans Ulrich Klose wieder aufgehoben worden. In einem Antrag wird die Bürgerschaft ersucht, ihr „ausdrückliches Bedauern“ über dieses „unrühmliche Kapitel in der Geschichte Hamburgs“ zu beschließen.

Antje Möller von der Grünen Bürgerschaftsfraktion erklärte die Aufarbeitung des Erlasses für „überfällig“. Die Abgeordnete nannte den Radikalenerlass „eine Verletzung wichtiger Grundrechte“. Er habe das Klima der politischen Auseinandersetzung über Jahre belastet. Viele Betroffene seien heute noch politisch aktiv und würden sich trotz aller erfahrenen Widerstände für ihre Überzeugungen einsetzen. „Dafür gebührt ihnen Respekt und Anerkennung.“ Urs Tabbert von der SPD-Fraktion nannte den Radikalenerlass einen „schwerwiegenden und oft nicht zu rechtfertigen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen“.

Der Radikalenerlass war Anfang 1972 während der SPD-Kanzlerschaft Willy Brandts (1913–1992) von den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen worden. Hintergrund war der linksextremistische RAF-Terror der 70er-Jahre. Der Erlass zielte darauf, Menschen mit links- oder rechtsextremistischen Einstellungen vom Staatsdienst fernzuhalten. (epd)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen