: EU verdonnert Google zu Rekordstrafe
Android, das mobile Betriebssystem des US-Internetriesen, behindere den Wettbewerb, kritisiert Kommissarin Vestager. Der Konzern kündigt Einspruch an
Von Eric Bonse, Brüssel
Das Timing ist brisant. Auf den Tag genau eine Woche bevor EU-Kommissionspräsident Jean- Claude Juncker nach Washington reist, um den Handelsstreit mit den USA zu entschärfen, hat seine Behörde eine Rekordstrafe gegen den US-Konzern Google verhängt. Google soll 4,34 Milliarden Euro zahlen, weil sein mobiles Betriebssystem Android den Wettbewerb behindere.
Auf die Politik könne sie keine Rücksicht nehmen, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Dann wäre nie der passende Zeitpunkt. Die Strafe sei wegen Verstößen gegen EU-Recht verhängt worden, nicht aus politischen Motiven. „Ich liebe Amerika“, fügte sie hinzu.
Dennoch dürfte die größte Wettbewerbsstrafe aller Zeiten die Gespräche mit US-Präsident Donald Trump nicht gerade erleichtern. Die Kommission hat sich unlängst bereits einige US-Konzerne vorgeknöpft. Erst am Montag hatte die Brüsseler Behörde den Mietwohnungs-Vermittler Airbnb abgemahnt. Im vergangenen Jahr verdonnerte sie Amazon und Apple dazu, Steuern nachzuzahlen.
Bisher haben die Konzerne die Bescheide aus Brüssel meist geschluckt. Doch diesmal kündigte Google noch am Mittwoch an, Einspruch einzulegen. Man habe den Wettbewerb auf dem Handymarkt nicht behindert, sondern sogar belebt. „Android hat mehr Auswahl geschaffen, nicht weniger“, sagte Unternehmenssprecher Al Verney.
Der Streit kreist um die Frage, ob Google seine Marktmacht zulasten von Smartphone-Herstellern und Verbrauchern ausnutzt. Vestager erhob mehrere Vorwürfe: Die Hersteller würden verpflichtet, neben Android auch den Google Play Store zu installieren. Außerdem werde der Wettbewerb durch Googles vorinstallierte Internetsuche und den hauseigenen Chrome-Browser behindert.
Den Einwand, dass die Nutzer im Play Store problemlos Apps anderer Hersteller finden und installieren können – auch andere Suchmaschinen und Browser –, ließ Vestager nicht gelten. Nur 1 Prozent der rund 450 Millionen Android-Nutzer in der EU hätten eine andere Such-App heruntergeladen, nur 10 Prozent einen neuen Browser. Zudem seien Hersteller wie Samsung vertraglich an Google gebunden.
„Die Entscheidung ignoriert, dass Android-Telefone mit iOS-Telefonen (auf Apple-Iphones) konkurrieren“, konterte Google-Chef Sundar Pichai. Dank Android könnten die Kunden heute zwischen mehr als 24.000 verschiedenen Smartphone-Modellen wählen. Deren Hersteller kämen auch aus der EU.
Auf Google-Konkurrenten wie Apple und Hersteller wie Nokia ging Vestager mit keinem Wort ein. Sie hatte auch Mühe, die Höhe der Strafe zu erklären. „Wir haben Richtlinien, die uns dabei helfen, die Strafe zu kalkulieren. Dabei geht es um die Dauer des Verstoßes, dessen Schwere und den Umsatz der Firma. Und dann packen wir das in unsere Matrix, legen den Hebel um und – puff! – heraus kommt eine Zahl.“
Die französische Regierung sprach von einer „exzellenten Entscheidung“. Niemand stehe über den Gesetzen. Der Interessenverband „Open Internet Project“, einer der Beschwerdeführer, lobte die Entschlossenheit der EU. Die Verbraucher dürften nicht länger gezwungen werden, „die Dienste einer dominierenden Firma“ anzunehmen, nur weil es keine andere Wahl gebe. Lob kam auch vom europäischen Verbraucherverband BEUC. Google habe mit Android sein eigenes Businessmodell geschützt, das würde Innovation und Datenschutz behindern.
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