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Hohn und Hass für Opfer von Rassismus

Rassismus hat es in Deutschland immer gegeben. Jetzt redet man auch darüber

Drei Tage nach dem Rücktritt von Deutschlands Nationalspieler Mesut Özil entzündete sich eine Debatte über Rassismus. Der 24-jährige Aktivist und Buchautor Ali Can hatte am vergangenen Mittwoch in einem Video nicht-weiße Menschen dazu aufgerufen unter dem Hashtag #MeTwo bei Twitter ihre Erfahrungen mit Diskriminierung zu teilen.

In dem Video, das über das Online Magazin Perspective Daily verbreitet wurde, erklärt Can die Aktion: „Wir brauchen eine #MeToo-Debatte für Menschen mit Migrationshintergrund“. Das „Two“ soll dabei für zwei Herzen stehen, Ali Can nennt das eine „Mehrfachidentität“.

Beleidigt und verhöhnt

Zigtausende sind seitdem dem Aufruf nachgekommen. Innerhalb von zwei Tagen wurde #MeTwo zum meist geteilten Hashtag innerhalb des deutschsprachigen sozialen Netzwerkes. Die Betroffenen sprechen von Rassismus, der ihnen in Deutschland in der Schule, im Club, bei der Wohnungssuche oder am Arbeitsplatz passiert. In vielen dieser alltäglichen Situationen werden nicht-weiße Menschen ausgegrenzt, beleidigt oder körperlich angegriffen.

Der Wunsch der Betroffenen ist es, dass weiße Deutsche ihnen zuhören und Solidarität zeigen. Doch in vielen Fällen ist genau das Gegenteil der Fall. Ihre Erfahrungen werden relativiert oder verhöhnt.

Justizminister Heiko Maas äußerte sich via Twitter dazu: „Es schadet dem Bild Deutschlands, wenn der Eindruck entsteht, dass Rassismus bei uns wieder salonfähig wird.“ Als hätte es in Deutschland eine Zeit ohne Rassismus gegeben. Autorin Birgit Kelle beschreibt den Hashtag als „Gejammer“ und der stellvertretende Chefredakteur der Bild am Sonntag, Christian Lindner, kommentiert: „Lassen wir uns nicht einreden, dass wir rassistisch sind.“

Doch es bleibt nicht bei den Relativierungen. In den Kommentaren unter den Tweets produzieren viele erneuten Rassismus, in dem sie die User*innen beleidigen, verhöhnen oder bedrohen. Nach wenigen Tagen haben nun einige User*innen ihre Tweets zu #MeTwo wegen der Vielzahl an Hasskommentaren wieder gelöscht. Zu ihnen gehört auch die Speakerin und Autorin Azaadeh Arzu. Sie hielt den Hass nicht mehr aus und twitterte: „Sie haben es nicht verdient, sich über uns lustig zu machen.“

Aus diesem Grund soll an dieser Stelle Autor*innen innerhalb und außerhalb der taz die Möglichkeit gegeben werden von ihren rassistischen Erfahrungen zu berichten. Und wir hören jetzt einfach mal zu! Carolina Schwarz

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