: Gefechte an der syrisch-israelischen Grenze
Mit Aufmerksamkeit verfolgt Israels Sicherheitsapparat den Vormarsch der Truppen von Präsident Baschar al-Assad auf der syrischen Seite der Golanhöhen. Unterstützt von der russischen Luftwaffe, dringen die Soldaten in das Gebiet zwischen Syrien, Jordanien und Israel vor, wo noch rund eintausend Anhänger des sogenannten Islamischen Staates vermutet werden. Kämpfe in der Region lösten am Montag früh Raketenalarm im Norden Israels aus.
Zwei Luftabwehrraketen wurden offenbar unnötig in Gang gesetzt. Anwohner in Galiläa und auf den von Israel annektierten Golanhöhen berichteten von Rauchspuren am Himmel. Jede Abwehrrakete des neuen Systems mit dem Namen „Zauberwand“ oder auch „Davids Steinschleuder“, das nun zum ersten Mal zum Einsatz kam, kostet laut Bericht der Zeitung Ha’aretz umgerechnet 220.000 bis 240.000 Euro. Das Abwehrsystem soll auch in der Lage sein, Drohnen frühzeitig unschädlich zu machen.
Schon Ende vergangener Woche gaben Vertreter von Armee und Rebellen die Kapitulation der Gegner Baschar al-Assads bekannt. Der Vereinbarung zufolge sollen zwei Armeebrigaden an die Stützpunkte zurückkehren, an denen sie vor Beginn des Bürgerkrieges stationiert waren.
In Damaskus soll es schon zu ersten Siegesfeiern kommen, obschon es nicht viel zu feiern gibt angesichts der vielen Toten – rund eine halbe Million, schätzen die Vereinten Nationen – und der annähernd 8 Millionen Menschen auf der Flucht.
Israels befürchtet, dass mit dem Vormarsch der syrischen Truppen auch iranische Revolutionsgarden oder Kämpfer der libanesisch-schiitischen Hisbollah in die Grenzregion vorrücken, die zuletzt, unterstützt von der russischen Armee, Assad im Kampf gegen die Rebellen zur Seite standen. Laut Ha’aretz trugen die iranischen und libanesischen Kämpfer jüngst die Uniform der syrischen Armee.
Die Hisbollah, die sich in ihrem Programm die Zerstörung des „kleinen Teufels“ (gemeint ist Israel) zum Ziel setzt, soll nach Schätzungen von Experten seit dem letzten Krieg im Jahr 2006 die Rüstungslager mit über 100.000 Raketen aufgestockt haben. Die libanesischen Schiiten werden aus dem Iran finanziert und stehen unter direktem Kommando Teherans. Eine zweite Front zum Iran auf syrischem Boden will Israel auf keinen Fall zulassen.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu traf gestern überraschend mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow zusammen, der, begleitet von Generalstabschef Waleri Gerassimow, zu einem Blitzbesuch nach Israel kam, um über die Lage in Syrien zu beraten. „Israel besteht darauf, dass die entmilitarisierte Pufferzone zu Syrien so gewahrt bleibt wie in den Jahrzehnten vor Beginn des Bürgerkriegs in Syrien“, erklärte Netanjahu im Vorfeld des Treffens. Israel werde ferner weiterhin gegen jeden Versuch vonseiten des Iran vorgehen, „sich militärisch in Syrien zu etablieren“.
Noch zögert Russlands Präsident Wladimir Putin mit eindeutigen Zusagen an Netanjahu. Militäranalysten in Israel halten den Einfluss Moskaus zudem für begrenzt.
Israel hatte am Vortag überraschend den Grenzübergang bei Kuneitra geöffnet, um gut 400 syrische Weißhelme ins Land zu lassen, die mit dem Vorrücken der syrischen Truppen in Bedrängnis geraten waren. Israel stellte sich nur als Transitland zur Verfügung. Die Syrer sollen in den kommenden Wochen in Jordanien bleiben, bevor sie in Drittländer weiterreisen. Auch Deutschland will acht der Geflüchteten und ihre Familien aufnehmen.
Susanne Knaul
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