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press-schlagReförmchenspiele in Frankfurt

Okay, Jogi Löw bleibt Bundestrainer. Aber unter welchen Umständen bleibt er das? Die Zeit drängt

Bald spielt der Weltmeister gegen den ehemaligen Weltmeister. Frankreich gegen Deutschland. Es wird ein besonders Spiel. Ein Match, das über die mittelfristige Zukunft der Nationalmannschaft und irgendwie auch des deutschen Fußballs entscheidet. 47 Tage sind es bis dahin noch. Nur 47 Tage. Gelingt Bundestrainer Jogi Löw eine Zeitenwende? Oder murkelt er irgendwie weiter? Ist er wild entschlossen, die eigene Komfortzone zu verlassen? Ist er bereit – wie es bei solchen Szenarien immer heißt –, „jeden Kieselstein umzudrehen“? Oder begnügt er sich mit ein paar kosmetischen Korrekturen und halbgaren Personalentscheidungen?

In dieser Woche hat es viel Bewegung in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main gegeben. Man tagte. Sogar der Bundestrainer höchstselbst reiste an. Die Funktionäre sind immer noch am Aufarbeiten des schmählichen Ausscheidens in der WM-Vorrunde. Deutschland belegte bekanntlich den letzten Platz in der Gruppe, zeigte sich lauffaul und in der Offensive krass uninspiriert. Einerseits ist das Team das Opfer einer schicksalhaften konjunkturellen Delle geworden: Wer eben noch ganz oben war, der befindet sich zwangsläufig auf dem Weg nach unten – wie ja auch die Weltmeisterteams aus Spanien und Italien erfahren mussten. Aber natürlich ist so eine Formschwäche, wie sie das DFB-Team in den Tagen von Watutinki erlebt hat, nicht nur höhere Fügung, auch wenn sich manch ein Kicker für einen Fußballgott gehalten haben mag.

Da hatte sich etwas abgenutzt. Man war in die Falle der Selbstgefälligkeit getappt. Im Gefühl der eigenen Grandiosität ist Jogis Stab betriebsblind geworden. Offensichtliche Fehler wurden übertüncht, Zweifel abmoderiert. Diese Nationalmannschaft, der Jogi wie ein Magier Zaubertrank einzuflößen schien, trat als verzagter Haufen auf, der nicht mehr viel mehr vorzuzeigen hatte als seine verwelkten Lorbeerkränze. Es war ein Systemversagen. Und nun soll der Bundestrainer, der dafür verantwortlich ist, einfach weitermachen dürfen? Der erhält eine Jobgarantie, echt jetzt?

Aus Sicht des DFB erscheint der Schritt logisch. Es waren keine geeigneten ­Kandidaten am Markt verfügbar. berdies besitzen die Vertreter der Nationalmannschaft mittlerweile eine enorme Hausmacht im Verband. Das war nicht immer so. Gerade zu Anfang der Bundestrainerkarriere des Jogi Löw kurvte die Nationalmannschaft wie ein Satellit um den großen Verband. Man beäugte sich kritisch. Das war gar nicht schlecht, denn in Abgrenzung von den Altfunktionären in der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt entstand ein kreatives Klima, das Manager Oliver Bierhoff zwar immer auch zu Vermarktungsexzessen nutzte, aber das Team an die Weltranglistenspitze führte.

Mittlerweile ist die Nationalmannschaft so eng mit dem Alt-DFB verzahnt, dass Löw und Bierhoff diktieren können, was Sache ist. Und Sache ist nun mal, dass Löw bleiben darf. Bis zum 24. August soll er sein Reformpaket vorgelegt haben. Es waren in den vergangenen Tagen vor allem Fußballprovinzfürsten, die Zweifel am Prozedere hatten, aber sie wurden nun ruhiggestellt. „An den sportlich verantwortlichen und über viele Jahre äußerst erfolgreichen Köpfen der Nationalmannschaft“ gebe es keinen Zweifel, verfügte der DFB. Noch bewegt sich der Reformeifer auf der Ebene eines in­sti­tu­tionellen Machtkampfs, aber bald schon wollen die Kritiker Handfestes sehen.

Wird Löw seinen eher kollegialen Führungsstil aufgeben? Brüskiert er womöglich loyale Weggefährten im Betreuerstab? Stößt er einen radikalen Verjüngungsprozess an? Verabschiedet er sich von dem zuletzt nur noch drögen Ballbesitzfußball spanischer Prägung? Wäre mal interessant, zu erfahren, was der Jogi ­darüber denkt. Markus Völker

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