die dritte meinung
: Zum Jahrestag der Revolution fordern wir ein demokratisches, sozial gerechtes Nicaragua

Marianne Braig vom Berliner Lateinamerika-Institut gehört zu den 115 Erstunterzeichnerinnen der Erklärung zum Jahrestag der Sandinistischen Revolution, ebenso wie der Schriftsteller Erich Hackl, die Fotografin Cordelia Dilg und der Grüne Hans-Christian Ströbele.

In Nicaragua wurde am 19. Juli 1979 der Diktator Somoza durch einen Volksaufstand vertrieben. Es begann das Experiment der sandinistischen Revolution, die weltweit viele Menschen bewegt und zu solidarischem Handeln veranlasst hat. Auch viele von uns haben damit Hoffnungen verbunden. (…)

Nicaragua schien in den 1980er Jahren ein Modell einer sozial gerechten, am Wohl und den Interessen aller Menschen orientierten Entwicklung sein zu können. Doch 1990 wählte die Mehrheit der Bevölkerung, zermürbt durch Contrakrieg und Wirtschaftsblockade, die Regierung der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN ab und anderthalb Jahrzehnte neoliberaler Entwicklung begannen.

Heute, 39 Jahre nach dem Sieg der Revolution, ist in Nicaragua wieder ein Volksaufstand im Gange. Er richtet sich erneut gegen ein autoritäres Regime, das die Menschenwürde und demokratische Freiheiten mit Füßen tritt. Doch diesmal ist der Aufstand unbewaffnet und wendet sich gegen das Regime des einstigen Revolutionskommandanten Daniel Ortega und seiner Frau und Vizepräsidentin, Rosario Murillo, die beanspruchen, die sandinistische Revolution fortzuführen.

Dieser Anspruch entbehrt jeder Grundlage. (…) In den vergangenen elf Jahren ist eine dynastische Familienherrschaft entstanden, die antiimperialistische Sprüche im Munde führte, aber die neoliberale, umweltzerstörende und Armut zementierende Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte fortführte. (…)

Das Ortega-Murillo-Regime klammert sich mit allen Mitteln an die Macht und scheint zu hoffen, durch gezielten Terror und „Säuberungsoperationen“ die Barrikaden beseitigen, die Proteste ersticken und bis zum 19. Juli „reinen Tisch“ machen zu können.

Wir unterstützen die Forderungen der Protestbewegung: vorbehaltlose international überwachte Aufklärung und Bestrafung der Verantwortlichen für die Repression und die von ihnen begangenen Verbrechen; sofortiger Rücktritt der amtierenden Regierung und der Polizeiführung sowie Bildung einer Übergangsregierung unter breiter Partizipation der sozialen Bewegungen. Wir erklären unsere Solidarität mit der aufständischen Bevölkerung in ihrem Kampf für ein freies Nicaragua, in dem ein Leben in Würde und Selbstbestimmung möglich ist und soziale Gerechtigkeit endlich verwirklicht werden kann.

“¡¡¡ Nicaragua libre y vivir !!!“