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Eine Schule des Gewissens

Die Potsdamer Garnisonkirche bekommt einen wissenschaftlichen Beirat. Vorsitz: der Historiker Paul Nolte. Er soll die Geschichte des Ortes „kritisch reflektieren“

Die Baustelle der Garnisonkirche in Potsdam Foto: Soeren Stache/dpa

Die Bildungs- und Gedenkarbeit der Stiftung Garnisonkirche Potsdam wird in Zukunft von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet. Als kommissarischen Vorsitzenden präsentierte die Stiftung am Freitag in Potsdam den Historiker und Präsidenten der Evangelischen Akademie zu Berlin, Paul Nolte. Ihm zur Seite stehen weitere namhafte Wissenschaftler. Der Beirat soll im Herbst seine Arbeit aufnehmen. Der Wiederaufbau des Turms der 1945 zerstörten und 1968 in der DDR abgerissenen Garnisonkirche hatte im vergangenen Herbst begonnen.

„Projekt der Versöhnung“

Die Garnisonkirche stehe für die vielfältigen Sedimente und Schichten der deutschen Geschichte und deren Bruchzonen, sagte Nolte. Das Spannende am geplanten Wiederaufbau sei, dass keine ursprüngliche Nutzung angestrebt werde, sondern ein Projekt der Versöhnung und Verantwortung.

Der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Garnisonkirche, Altbischof Wolfgang Huber, betonte, der wissenschaftliche Beirat solle das inhaltliche Konzept für die Garnisonkirche weiterentwickeln und profilieren. Seine Stellvertreterin, die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, erklärte, sie erwarte, dass der Beirat die vielfältige Geschichte des Ortes kritisch reflektiere und dabei helfe, mit der Friedens- und Versöhnungsarbeit am Gedenk­ort eine „Schule des Gewissens“ zu etablieren. Paul Nolte ist Professor für Zeitgeschichte am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin.

Unterstützt wird Nolte von derzeit acht Beiratsmitgliedern. Darunter sind unter anderem die Philosophin Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums Potsdam, der Theologe Christian Polke von der Universität Göttingen, die Historikerin Christiane Kuller von der Universität Erfurt sowie die Geschichtsdidaktikerin Christine Gundermann von der Universität Köln. Weitere Beiratsmitglieder sind der neue Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, der Historiker Axel Drecoll, die Friedensforscherin Ines-Jacqueline Werkner von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft Heidelberg sowie der Historiker Eckart Conze von der Universität Marburg. Auch der langjährige Leiter des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, Rainer Eckert, ist Mitglied des wissenschaftlichen Beratungsgremiums, das zwei- bis dreimal im Jahr tagen soll, wie Nolte betonte. Zudem könnten bis zu drei weitere Beiratsmitglieder berufen werden.

Eigene Forschung

Koordiniert wird das Gremium durch eine Geschäftsstelle. Künftig sollen Veranstaltungen geplant, aber auch eigene Forschung initiiert werden, sagte Nolte. Er sehe den Beirat als Ort für Debatten, betonte der desi­gnierte Vorsitzende. Der wissenschaftliche Beirat soll in seiner Arbeit unabhängig sein. Alle Beiratsmitglieder seien „Garanten für eine wissenschaftlich fundierte, kritische und weiterführende Begleitung unseres wichtigen Projekts“, sagte Huber.

Beim Wiederaufbau des Turmes der Garnisonkirche ist zunächst für rund 26 Millionen Euro eine Grundvariante ohne Turmaufsatz und Schmuckelemente geplant. Dafür stellt der Bund 12 Millionen Euro zur ­Verfügung. Für die nach Stiftungsangaben rund 38 Millionen Euro teure Errichtung des gesamten Kirchturms fehlen weiter mehrere Millionen Euro. Das Bau­projekt ist wegen der preußischen Militärgeschichte der Garnisonkirche und ihrer Bedeutung in der NS-Zeit umstritten. 1933 gab Hitler in der Kirche eine Regierungserklärung ab.

Im Juni war mit einem Gedenkgottesdienst an die Sprengung der Garnisonkirche vor 50 Jahren erinnert worden. Auf Teilen des Areals wurde in der DDR ein Rechenzentrum errichtet. Das Rechenzentrum wird derzeit als Kunst- und Kreativhaus genutzt und befindet sich neben der Baustelle. (epd)

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