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Wie man sich sein Kino selber basteln kann

In Mecklenburg-Vorpommern bietet das Projekt „Dorfkino einfach gemacht“ Hilfe zur Selbsthilfe. Das Ergebnis sind 1.000 Vorstellungen pro Jahr auf rund 60 Leinwänden

Von Wilfried Hippen

In ganz Mecklenburg-Vorpommern gibt es 53 kommerzielle Kinos – und rund 60 nichtkommerzielle Spielstätten. Nun kann man das Eine nicht mit dem Anderen vergleichen, und doch ist diese Zahl ein Beleg dafür, dass es eine lebendige Kinokultur im und auf dem Lande gibt. So etwa in der „Flimmerscheune Kratzeburg“, wo am Dienstagabend „La La Land“ gezeigt wurde, und in den nächsten Wochen noch die oscarprämierten Spielfilme „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ und „Shape of Water“ sowie die Dokumentation „Über Leben in Demmin“ auf dem Programm stehen.

Kratzeburg liegt im Landkreis Mecklenburgische-Seenplatte und hat etwa 500 Einwohner. Fünfzig Besucher passen in die Scheune, in der die Kultur gepflegt und das Erntedankfest gefeiert wird. Mit fünfzehn Gästen pro Vorstellung war die Pastorin Katharina Rosenow im letzten Sommer so zufrieden, dass sie in diesem Jahr im Juli und August jeden Dienstag einen Film zeigt – für 3,50 Euro Eintritt und mit dem Angebot einer Taizé-Andacht nach dem Film gleich nebenan in der Dorfkirche ,„bei Kerzenschein und mit besinnlichen Gesängen“.

Um einen Beamer, eine Tonanlage oder eine Leinwand muss sie sich genauso wenig kümmern wie um die Beschaffung einer Blu-Ray und die Klärung der Rechte für die Vorstellung. All das organisiert das Projekt „Dorfkino einfach machbar“, das in Güstrow beheimatet ist und von Jens-Hagen Schwadt koordiniert wird. Das bedeutet in diesem Fall, dass er am Dienstag das Auto des Vereins vollgeladen hat, selber nach Kratzeburg gefahren ist und die Technik dort aufgebaut hat. Das kommt inzwischen nur noch selten vor, aber aus dieser Tradition hat sich das Projekt entwickelt.

In der DDR gab es die Institution Landfilm, bei der Wanderkinos von Dorf zu Dorf reisten und dort Filme vorführten. Nach dem Untergang der DDR drohte diese Tradition einzugehen, doch Jens-Hagen Schwadt gründete 1990 den Filmclub Güstrow. Damals war es die Regel, dass er zusammen mit ein paar ebenfalls ehrenamtlich arbeitenden Helfern mit dem gelben „Kinomobil“ und der gesamten Technik sowie den Filmen im Gepäck auf die Dörfer fuhr. „Moki“ haben sie dieses mobile Kino genannt und wie man in Kratzeburg sieht, ist es auch heute noch einsatzbereit.

Als ab Ende der 1990er-Jahre Abspielgeräte, Beamer und Tonanlagen immer billiger wurden, machten die Kinomacher in den Dörfern selber diese Investitionen und der Filmclub lieferte immer öfter nicht mehr die Hardware sondern die Software. Denn es wurde zwar immer einfacher und billiger, im Dorfkino zuerst noch Videokassetten, dann DVDs und schließlich Blu-Rays abzuspielen. Und einige mögen dies auch lange getan haben, ohne sich um die Filmrechte zu kümmern. Aber wenn man legal öffentlich einen Film zeigen will, ist das ziemlich kompliziert und auch nicht billig. Der Rechteinhaber kann fast die Hälfte des eingespielten Geldes einfordern und oft gibt es eine Mindestabgabe von 200 Euro. Die Dorfkinomacher müssten darüber für jeden Film mit dem jeweiligen Verleiher verhandeln. Der Aufwand ist also beträchtlich.

Und hier sah Schwadt immer mehr seine Aufgabe: Er bot den Dorfkinos an, sich in sogenannten Abspielringen zu organisieren. Dabei werden Sammelbestellungen gemacht, es zeigen also mehrere Dorfkinos nacheinander einen Film und teilen sich die Kosten. Die Bestellungen besorgt Schwadt, der sein Geld in der Kommunalverwaltung verdient, in seinem Büro in Güstrow. Und weil die Verleiher ihn kennen und er bei ihnen mit der Zeit ein immer besserer Kunde wurde, kann er Sonderkonditionen aushandeln und darf manchmal auch Filme vor der gesetzlichen Sperrfrist von sechs Monaten nach dem Kinostart spielen.

So ist bei ihm schon jetzt die Dokumentation „Wildes Herz“ über die Mecklenburger Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ im Programm, die in den Städten noch in den Programmkinos läuft (siehe „shortcuts“ rechts). Im vergangenen Jahr war in den Dorfkinos von Mecklenburg die Komödie „Toni Erdmann“ der Publikumsliebling. Über 2.000 Besucher wollten ihn sehen. Inzwischen ist das Projekt „Dorfkino einfach gemacht“ eine Erfolgsgeschichte. Es gibt über 1.000 Vorstellungen im Jahr mit rund 25.000 Besuchern.

Das Projekt „Dorfkino einfach gemacht“ ist eine Erfolgsgeschichte. Es gibt über 1.000 Vorstellungen im Jahr mit rund 25.000 Besuchern

Das funktioniert deshalb so gut, weil Jens-Hagen Schwadt und sein Team den Kinomachern die Arbeit abnehmen. In Mecklenburg ist es dadurch tatsächlich sehr einfach geworden, Dorfkino zu machen. Das Projekt bekommt 60 Prozent des Geldes in den Kinokassen, was sehr günstig ist, wenn man bedenkt, dass der größte Teil davon direkt an die Verleiher geht.

Wie gut sich diese Art einer nichtstaatlichen Kulturförderung entwickelt hat, merkte schließlich auch die Kulturstiftung des Bundes und finanzierte mit Mitteln des Fonds Neue Länder eine Onlineplattform, die es für die Kinomacher, vor allem aber auch Schwadt und sein Team nun noch viel einfacher macht, die Filme auszuwählen und zu bestellen. Im Programm sind aktuell knapp 50 Filme, und bemerkenswert ist auch, dass nicht „Fack Ju Göthe 3“ oder Hollywood-Blockbuster bestellt und gezeigt werden, sondern stattdessen gepflegte Arthouse-Filme wie „Beuys“, „Die Göttliche Ordnung“ und „More Than Honey“. Angeboten wird, was die Kinomacher wünschen. Aber Schwadt und sein Team machen auch Filmvorschläge, die oft dankbar angenommen werden.

Schwadt ist es zu verdanken, dass es in Mecklenburg-Vorpommern eine alternative, unkommerzielle Kinolandschaft gibt – mit Spielstätten wie dem „Feuerwehrkino Retschow“, dem Stralsunder „Filmclub Blendwerk“ und der „Greifswalder Museumswerft“, wo am 21. Juli ausgerechnet der in einem amerikanischen Wüstenkaff spielende Film „Lucky“ auf die Segel der historischen Schiffe projiziert wird.

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