Kommentar Polizeischutz für Saviano: Salvini droht Anti-Mafia-Autor
Italiens Innenminister stellt den Polizeischutz für Roberto Saviano infrage. Es wäre nicht das erste Mal, dass Schutz trotz Bedrohung entzogen wird.
E r hat es wieder getan. Inzwischen vergeht in Italien kein Tag, an dem sich der rechte Innenminister Matteo Salvini von der Lega nicht wieder eine Idiotie geleistet hätte – die ihn nichts kostet, seinen Wählern das Herz wärmt und bei seinen Gegnern Schnappatmung auslöst. Dieses Mal ging es gegen den Anti-Mafia-Journalisten und Autor des Romans „Gomorrha“, Roberto Saviano, dem Salvini droht, ihm den Polizeischutz zu entziehen, weil er Salvinis Migrationspolitik kritisiert hat.
Salvini drohte Saviano in einem Ton, der jedem Boss zur Ehre gereicht hätte: „Die zuständigen Institutionen werden einschätzen können, ob er einem Risiko ausgesetzt ist – auch weil es mir so scheint, dass er viel Zeit im Ausland verbringt. Sie werden berechnen, wie die Gelder der Italiener ausgegeben werden sollen. Ich schicke ihm ein Küsschen.“
Umgehend rollte über Saviano eine Solidaritätswelle hinweg: mit dem Hashtag #SavianoNonSiTocca (Rührt Saviano nicht an), der Schlagzeile der Tageszeitung Repubblica, für die Saviano schreibt, und unzähligen Solidaritätserklärungen – vom Parlamentspräsidenten Roberto Fico über den Antimafia-Staatsanwalt Nino Di Matteo bis hin zu Salman Rushdie.
Mal abgesehen vom Detail, dass der Innenminister wissen müsste, dass nicht er über die Zuteilung oder den Entzug einer Leibwache entscheidet, sondern der jeweilige Präfekt auf regionaler Ebene und das „Komitee für Ordnung und Sicherheit“, erfüllt die perfide Kritik an der Leibwache ihren Zweck. Denn sie wird von der Mafia wahrgenommen und als Zeichen der Schwäche und Isolation interpretiert. Beim berühmten Mafiajäger Giovanni Falcone störten sich die Damen aus Palermos bester Gesellschaft an dem Lärm der Alarmsirenen seiner gepanzerten Autos.
Ehemaliger Antimafia-Staatsanwalt ohne Leibwache
Falcone wurde ermordet, als er gar nicht mehr im Justizpalast arbeitete, sondern den Justizminister beriet. Deshalb ist es extrem beunruhigend, dass dem ehemaligen Antimafia-Staatsanwalt und jetzigem Rechtsanwalt Antonio Ingroia vor kurzem der Polizeischutz entzogen wurde, obwohl abtrünnige Mafiosi enthüllten, dass die Mafia ihn mit zwanzig Kilo Sprengstoff in die Luft jagen will.
Ein Todesurteil, das nicht zurückgezogen wird. Die Mafia vergisst nie, das wissen alle, die sich mal etwas näher mit ihr auseinander gesetzt haben. Ingroia hat erfolgreiche Prozesse gegen Bosse, Geheimdienstchefs und mafiose Politiker geführt, darunter die (zur Zeit inhaftierte) rechte Hand von Silvio Berlusconi: Marcello Dell’Utri, Parteigründer von Forza Italia.
Heute verteidigt Ingroia Mafiaopfer – und erhält täglich anonyme Anrufe. Die Tochter des kürzlich verstorbenen Bosses Totò Riina hingegen verschwieg ihren Namen nicht, als sie vergeblich verlangte, zu Ingroia durchgestellt zu werden. Es wird kein Zufall gewesen sein, dass Ingroia die Leibwache in dem Moment entzogen wurde, als das Urteil gegen den Pakt zwischen der Mafia und dem italienischen Staat erging – den Prozess hatte Ingroia auf den Weg gebracht.
Dazu müsste sich Salvini äußern, er müsste Stellung dazu beziehen, warum Ingroia der Schutz genommen wurde. Aber er tut es zynischerweise nicht, weil Ingroia ihm weniger Aufmerksamkeit einbringen würde als Saviano. Weniger Likes, weniger Herzchen von seinen Anhängern. Kein Suhlen in Faschismus-Vorwürfen. Aufmerksamkeit ist Salvinis einzige Währung – neben den Stimmen der Mafia. Auf die verzichtet man ungern.
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