: Bürger sollen keine Angst mehr haben
Enquete-Kommission Kinderschutz hörte erstmals echte Jugendamtsmitarbeiter von der Basis an und deren Wünsche für die Zukunft. FDP und SPD boten frostigen Empfang
Von Kaija Kutter
Abseits des Rampenlichts arbeitet die Enquete-Kommission „Kinderschutz und Kinderrechte“ seit über einem Jahr vor sich hin. Doch gestern wurde es spannend. Denn da die „Landesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst“angehört, die mit nur sechs Stimmen und neun Enthaltungen überhaupt eingeladen wurde. Daniel Oetzel von der FDP empfing die Gäste kühl und fragte, wie sich denn die „LAG ASD“ legitimiere.
Als Beschäftige der Stadt antworteten die vier Vertreter zurückhaltend: Es handele sich um einen Zusammenschluss vom ASD-Vernetzungstreffen, Berufsverbänden und Hochschulen, erläuterte LAG-Mann Jochen Schulz. „Wir diskutieren Themen, die aktuell sind“.
Im April gab es eine „Zukunftswerkstatt“ unter dem Titel „ASD der Zukunft“. Die Vision stellten Schulz und Mitstreiter vor.
Die derzeitigen Strukturen seien geprägt von „Angst auf verschiedenen Ebenen“, führten sie aus. Klienten seien besorgt, dass der Staat Kinder wegnehme, Fachkräfte hätten Angst Fehler zu machen und mit tragischen Folgen rechnen zu müssen und auch Politiker seien in Sorge bei falschen Entscheidungen die Verantwortung zu tragen. Es mangele an Anerkennung auf allen Ebenen, die negativste Auswirkung beträfe die Klienten, die „schon unter Exklusionserfahrungen leiden“. Das Gefühl, nichts bewirken zu können, führe zu Vermeidungsverhalten und psychischer Erkrankung. Nötig sei ein Imagewechsel des ASD und „Vertrauenskultur auf allen Ebenen“, vor allem „mehr Beziehungsarbeit, weniger Dokumentation“.
Um deutlich zu machen, dass es mehr Bürgernähe brauche, schildert Thomas Zurborg vom ASD-Vernetzungstreffen den Fall einer Frau, die aus Angst vor ihrem Mann, der aus der Haft entlassen wurde, den ASD um Hilfe bat. „Da sagte eine junge, forsche Kollegin: Wir machen keine Beratung mehr. Sie können zur Erziehungsberatung gehen oder eine ambulante Hilfe beantragen, aber hier wird nicht mehr beraten“.
ASD-Mitabeiter würden lieber ambulante Hilfen verordnen, sagt Zurborg. Deren Anstieg um 100 Millionen Euro von 2005 bis 2010 korreliere mit der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung. Die Arbeit mit der Software JUS IT sei so schwierig, dass sie fast 80 Prozent der Zeit verschlinge, ergänzte Schulz. Das Programm sei veraltet. Für bürokratischen Aufwand wären aber nur 20 Prozent vertretbar.
Die Berufsvertretung fordert statt sieben Jugendämtern in den Bezirken, ein zentrales Jugendamt. Das Jugendamt sollte niedrigschwellig für jeden erreichbar sein, in dezentralen Bürgerhäusern. „In anderen Kommunen ist so etwas vorhanden“, sagte Schulz.
Kritik gab es auch an der Führung und am Qualitätsmanagement. Leitungskräfte seien unerfahren, handelten defizitorientiert, führten sinnlose Vorgaben aus. An der Spitze fehle es an Kompetenz, so Schulz.
Nach dem Vortrag sagte SPD-Politiker Uwe Lohmann, die Vorbehalte, die LAG einzuladen, seien nach diesem Vortrag „gut nachzuvollziehen“. „Zum ersten Mal haben wir echte ASD-Mitarbeiter hier“, sagte CDU-Politiker Phillipp Heißner. „Wir wissen, wie das einzuordnen ist“.
Anerkennung zollte indes der Enquete-Vorsitzende Christian Schrapper. Es sei legitim, wenn hier die LAG „den Kollegen eine Stimme geben will“. Auch die Linke-Politikerin Sabine Boeddinghaus und der von ihr benannte Wissenschaftler Fabian Kessl hatten die LAG hören wollen. „Ich verstehe nicht, warum diese Einladung so aufregend ist“, sagte Kessl. Stehe doch das, was die Gäste sagten, auch in einer inzwischen ausgewerteten Online-Befragung von ASD-Mitarbeitern.
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