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Stress für „linke Fotzen“

Motorradclub-Mitglieder prügeln in Wilhelmsburg auf Besucher*innen eines Straßenfests ein, die Polizei ermittelt nun

Von André Zuschlag

Beim Musikfestival „48 Stunden Wilhelmsburg“ haben Motorradclub-Mitglieder Besucher*innen eines spontanen Straßenfestes auf der Fährstraße attackiert. Es gab mindestens vier Verletzte, drei mussten ins Krankenhaus. Der Angriff sei politisch von rechts motiviert gewesen, sagen nun Betroffene und Zeugen. Wenn das stimmt, wäre es die dritte Attacke dieser Art im Stadtteil innerhalb weniger Monate.

„Bei der Auseinandersetzung gab es vier Geschädigte, die durch Schläge im Gesicht verletzt wurden“, bestätigt ein Polizeisprecher den Vorfall. Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung wurden aufgenommen, ansonsten will sich die Polizei nicht äußern, weil es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt. Nur so viel: Die Ermittlungen richten sich gegen drei bisher noch unbekannte Männer. Ob die Polizei ebenfalls von einer politisch motivierten Straftat ausgeht, ist bisher offen.

Einer der Geschädigten ist Fabian Strumpf*. Er hatte auf dem Straßenfest den ersten Schlag abbekommen, war bewusstlos geworden und trägt nun ein blaues Auge. „Wir waren gerade dabei, den Cocktail-Stand abzubauen, als ich von einer Freundin auf die drei Typen angesprochen wurde“, sagt er. Sie hätten sich unter die Menge gemischt und laut darüber besprochen, ein Refugees-welcome-Graffito an einer Hauswand überstreichen zu wollen. „Ob das eher im Spaß gesagt wurde oder ernst gemeint war, weiß ich nicht.“ „Auf jeden Fall wollten sie provozieren“, sagt Fabian.

Er habe die drei Männer gemeinsam mit anderen angesprochen und sie aufgefordert, den Ort zu verlassen. Da schlug einer der Männer auf ihn ein. Unmittelbar darauf ging einer der drei Männer durch die tanzende Menge und schlug, offenbar wahllos, auf mindestens drei weitere Besucher*innen ein. Nach Aussage mehrerer Zeugen soll er gerufen haben: „Wollt ihr Stress, ihr linken Fotzen?“ Die anderen beiden Männer schirmten ihn ab und flüchteten dann zu zwei geparkten Autos, in denen sich weitere Leute befanden. Besucher*innen, die Fotos von den Autos und Kennzeichen machen wollten, wurden nach eigener Aussage bedroht und aufgefordert, die Fotos zu löschen.

Mehrere Zeugen gaben im Gespräch mit der taz an, dass es sich bei den Männern um Mitglieder des Motorradclubs „MSK 1988“ gehandelt habe. Sie trugen offenbar T-Shirts des Clubs, deren Clubheim in Wilhelmsburg ist. Nun mehren sich Befürchtungen im Viertel, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelfall handelte. Im vergangenen Dezember hatte ein Mann mit rechtsextremer Vergangenheit eine selbstgebaute Bombe am nahegelegenen S-Bahnhof Veddel gezündet. Wenige Wochen zuvor berichtete der „Infoladen“, ein linkes Zentrum im Viertel, von Schüssen auf die Räumlichkeiten. Die Projektile der Gaspistole hätten die Glasscheibe durchbrochen, allerdings befand sich zu diesem Zeitpunkt niemand im Laden.

*Name geändert

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