: Anfangsverdacht in 19 Fällen
Die Staatsanwaltschaft ermittelt in mindestens 19 Fällen gegen den ehemaligen Leiter des Weißen Rings in Lübeck. Insgesamt hatte die Behörde 28 Fälle überprüft. Der Beschuldigte bestreitet die Vorwürfe
Von Esther Geißlinger
Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt gegen den ehemaligen Leiter der örtlichen Beratungsstelle für Kriminalitätsopfer, Weißer Ring, in der Hansestadt. In 19 Fällen liege dafür ein Anfangsverdacht vor, ein Fall werde noch geprüft, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Ulla Hingst, dem NDR. Gegenstand der Vorwürfe seien überwiegend Grenzüberschreitungen mit sexuellem Hintergrund. Es gehe auch um den Vorwurf der Beleidigung.
Insgesamt hatte die Behörde 28 „Vorgänge“ daraufhin untersucht, ob sie eine Basis für weitere Ermittlungen bieten. Laut den Vorwürfen hat sich der Mann in Beratungsgesprächen mit Frauen, die bei der Außenstelle des Weißen Rings um Hilfe baten, unangemessen verhalten. Unter anderem soll er einer Frau gesagt haben, sie könne bei finanziellen Schwierigkeiten als Prostituierte arbeiten.
Der Fall hatte im März für einen Skandal in Lübeck gesorgt, als bekannt wurde, dass es seit mehreren Jahren Gerüchte über den Außenstellenleiter gab. So tauchte die Frage auf, ob die örtliche Polizei, die Mitarbeiterinnen einer Frauenberatungsstelle und der Landesverband des Weißen Rings rechtzeitig und richtig gehandelt hätten. Der Landeschef der Opferschutzorganisation, der ehemalige Justizminister Uwe Döring, trat zwischenzeitlich zurück.
Der ehemalige Außenstellenleiter hat die Vorwürfe stets bestritten. Zu der neuesten Entwicklung äußerte sich sein Verteidiger bisher nicht inhaltlich. Er kritisierte, dass sein Mandant bisher keine Akteneinsicht in die Unterlagen der Staatsanwaltschaft nehmen konnte.
Der Bundesverband des Weißen Rings wollte sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußern. Allerdings unterstütze der Verband die Aufklärung und arbeite eng mit den Behörden zusammen, hieß es auf taz-Anfrage.
Bereits im März hatte die Bundesgeschäftsstelle angekündigt, selbst strafrechtliche Konsequenzen zu ziehen, wenn sich die Vorwürfe erhärten sollten. „Gegebenenfalls wird der Verein Strafanzeigen erstatten – selbstverständlich in enger Abstimmung mit den Opfern“, hieß es damals aus der Zentrale in Mainz.
Der Weiße Ring hat darüber hinaus eine Beschwerdestelle eingerichtet und neue Regeln beschlossen. Unter anderem sollen weibliche Opfer künftig nach Möglichkeit von Frauen beraten werden.
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