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Simona aus der Asche

Die Fighterin ist am Ziel: Simona Halep, Weltranglistenerste, schafft es in Paris im vierten Anlauf zum ersten Mal, ein Grand-Slam-Finale zu gewinnen

Aus Paris Jörg Allmeroth

Simona Halep hatte ihre schönste Trophäe schon fest ins Herz geschlossen, sie drückte den Siegerpokal der French Open liebevoll an sich. Aber genug war das noch lange nicht, es war noch nicht das Bild, das an diesem Tag herausgehen sollte in die Welt. Und so rief ausgerechnet ­Sloane Stephens, die geschlagene Finalistin, aus dem Hintergrund: „Heb ihn hoch. Zeig ihn richtig.“ Und das tat Halep dann auch: Sie stemmte den Pokal, den Pariser Höchstpreis, über den Kopf, strahlte gelöst zu den Fans und Fotografen herüber. Es war nun auch für alle sichtbar: Hier stand endlich, endlich die Grand Slam-Gewinnerin Halep, eine Nummer 1 der Welt mit plötzlich veränderter Autorität und Legitimation. „Seit ich begann, Tennis zu spielen, habe ich auf diesen Moment gewartet“, sagte Halep nach dem 3:6, 6:4, 6:1-Erfolg, „und ich habe mir immer gewünscht, dass es in Paris passiert.“

Vielleicht auch, weil dieser Schauplatz vortrefflich zu ihr passt, zu der unermüdlichen, nie verzagenden Kämpferin. Zu einer Spielerin, die aufgeht in den strapaziösen Rutschübungen, im stundenlangen Ringen um kleine und kleinste Vorteile im Duell Frau gegen Frau. „Der Sieg hier ist so passend“, sagte Chris Evert (USA), die siebenmalige Paris-Gewinnerin und heutige TV-Analystin, „Simona hat das Herz einer Löwin. Und eine Leidenschaft für ihren Sport wie kaum eine andere.“ Die 26-Jährige überwand sogar einen traumatischen Start in dieses Finale, einen 3:6, 0:2-Rückstand gegen Stephens, und landete am Ende den ersten dicken Coup ihrer bewegten Karriere. „Wenn es stimmt, dass die schweren Siege die schönsten Siege sind“, sagte Haleps Trainer Darren Cahill, „dann war das genau so ein Sieg.“

Vor einer Woche, als Deutschlands Tennis-Ikone Steffi Graf zu einer Stippvisite in Paris weilte, hatte sie auch über Halep gesprochen. Halep habe es mehr als verdient, sich einen Grand Slam-Titel zu holen, „nach all dem, was sie geleistet und schon erlebt hat“. Graf sprach damit die Unsicherheiten, die Zweifel und Ängste und Nervenprobleme der Hochbegabten an, die immer mal wieder dem Sturm auf den Thron entgegengestanden hatten. Dreimal hatte die energiegeladene Rumänin schon in einem Grand-Slam-Finale gestanden, dreimal war sie als Verliererin vom Platz gegangen. Das Pariser Finale des Vorjahres, gegen Jelena Osta­penko, war an Bitterkeit kaum noch zu übertreffen für Halep, die nach einem 6:2 und 3:0-Vorsprung völlig einbrach. „Da stürzte eine Welt für mich zusammen“, erinnerte sich Halep, „und doch habe ich mich wieder aufgerappelt und es weiter versucht.“

Dass sie große Nehmerinnenqualitäten hat, musste sie in der Hitzeschlacht des Samstags beweisen. Halep steckte tief im Schlamassel, sie hatte die Pleite vor Augen, als sie jäh zu einer inneren Freiheit und spielerischen Lockerheit fand. „Ich dachte: Das Spiel ist weg. Jetzt kannst du auch drauflos spielen“, so Halep, „und dann lief es einfach wunderbar.“ Von den nächsten fünfzehn Spielen gewann sie zwölf – und Stephens, zuvor die uneingeschränkte Autorität auf dem roten Platz, nur noch drei. „Wenn ich es einer gönne, dann Simona. Sie hat einen ganz schön harten Weg hinter sich“, sagte die Amerikanerin hinterher, die im letzten September einen märchenhaften Siegeszug bei den US Open erlebt hatte.

„Ich dachte: Das Spiel ist weg. Jetzt kannst du auch drauflos spielen“

Simona Halep

Halep war schon in Juniorinnen-Zeiten ein Versprechen für eine große Tennis-Zukunft, sie gewann 2008 auch den Nachwuchs-Wettbewerb in Roland Garros. Seit Jahren ist sie eine mitbestimmende Größe im Damentennis, wiederholt eroberte sie Platz 1 der Weltrangliste. Aber ihre herausragende Position konnte sie nie auf Grand-Slam-Terrain bestätigen, noch bei den Australian Open im Januar scheiterte ein weiterer Anlauf bei einem Major-Turnier. Im Turnierverlauf wehrte sie in verschiedenen Partien insgesamt fünf Matchbälle ab, präsentierte sich in ihrer Paraderolle als grimmige Fighterin. Nur um dann im Endspiel mit 7:9 im dritten, entscheidenden Satz gegen Caroline Wozniacki zu verlieren. Wozniacki war am Ziel, es war auch ihr erster Grand-Slam-Sieg. Und ­Halep stand wieder mit leeren Händen da, die Tränen, die sie vergoss, waren Tränen der Enttäuschung.

Halep war viele Jahre lang für ihren übergroßen, gefährlichen Ehrgeiz bekannt. Er führte auf dem Platz oft zu zerstörerischer Impulsivität, oft sah man sie in heftigen Selbstgesprächen, wenn die Dinge nicht liefen wie erwünscht. Trainer Cahill trennte sich im März 2017 von ­Halep, weil sie in Miami undiszipliniert aufgetreten war und den gemeinsam ausgetüftelten Matchplan komplett aufgegeben hatte. Es folgte eine offene Aussprache, Halep gelobte Besserung, Cahill kam wieder an Bord – und so sah man in Paris eben auch die Szene einer innigen Umarmung des Erfolgsduos. „Dass ich hart an meiner Mentalität, an meiner Psyche gearbeitet habe, war der Schlüssel zu diesem Sieg“, sagte Halep. Nun wird erst mal groß gefeiert, daheim in Rumänien, auch mit Managerin Virginia Ruzici, die vor 40 Jahren als Letzte aus dem Balkanland einen Major-Titel gewonnen hatte, auch in Paris. „An die nächsten Turniere denke ich noch gar nicht“, so Halep, „jetzt mache ich Urlaub.“

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