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Abschiebetipps vom DRK?

Unterstützer eines abgeschobenem Afrikaners kritisieren den Leiter einer Göttinger Flüchtlingsunterkunft. Er soll aktiv bei der Festnahme des Mannes mitgewirkt haben

Von Reimar Paul

Die Inhaftierung und anschließende Abschiebung des Simbabwers Willard Gondo vor zwei Wochen schlägt in Göttingen weiter hohe Wellen. Unterstützer werfen dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) vor, aktiv bei der Abschiebung Gondos mitgewirkt zu haben. Das DRK betreibt im Auftrag der Stadt die heftig umstrittene Flüchtlingsunterkunft im Göttinger Gewerbegebiet Siekhöhe. Hier hatte Gondo zuletzt gelebt.

Polizisten hatten den 33-Jährigen am Mittag des 24. Mai in dem Wohnheim verhaftet. Die Beamten brachten Gondo zunächst auf ein Polizeirevier in der Stadt und transportierten ihn später in ein Abschiebegefängnis nach Berlin. Von dort wurde er am folgenden Tag nach Norwegen abgeschoben. Das skandinavische Land ist nach den Dublin-Abkommen als Ersteinreiseland für Gondos Asylantrag zuständig. Anträge, seine Abschiebung auszusetzen, waren von Gerichten abgelehnt worden. Das Göttinger Amtsgericht erließ dann letztlich den Abschiebehaftbefehl.

Nachdem die Verhaftung bekannt wurde, demonstrierten rund 120 Menschen vor der betreffenden Polizeiwache in Göttingen und blockierten das Gebäude zeitweise. Die Protestaktion dauerte bis in den späten Abend. Als die Polizei das Grundstück, den daran vorbei führenden Gehsteig und einen Grünstreifen räumte, gab es Rangeleien und Festnahmen.

Wenige Tage nach der Abschiebung erhob das Wohnprojekt „OM 10“ – Obere Maschstraße 10 ist die Adresse des früheren Gewerkschaftshauses, das zunächst von Aktivisten besetzt und später gekauft wurde – schwere Vorwürfe gegen das DRK: Gondo, der jeden Tag eine Maßnahme der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben besuchte und nachmittags Jugendliche im Fußball trainierte, habe sich am 24. Mai um die Mittagszeit nur zufällig in dem Flüchtlingsheim aufgehalten, weil es ihm nicht gut gegangen sei. Darüber habe die DRK-Leitung die Polizei informiert, die daraufhin vor Ort erschienen sei und Gondo verhaftet habe. Grund für diese „feige Machenschaft“ sei Gondos Engagement gegen die Lebensbedingungen in dem Wohnheim.

„Er wusste, dass er abgeschoben werden soll“, heißt es in der Erklärung von „OM 10“ weiter. Die Festnahme habe ihn trotzdem unvorbereitet getroffen. Gondo habe nicht einmal seine Sachen mitnehmen können. Die Abschiebung – ein „perfides Zusammenspiel von Ausländerbehörde, Gericht, Polizei und DRK“ – sei erfolgt, ohne dass Gondos Anwältin über den Haftbefehl und die Festnahme informiert worden sei.

Die Stadt Göttingen sprang dem Roten Kreuz bei. „Wir verurteilen aufs Schärfste diese Art der Stimmungsmache und Verurteilung einer Hilfsorganisation durch Lügen und Aufrufe, die zu Sachbeschädigungen und Hass-E-Mails führen“, sagte ein Verwaltungssprecher. Zuständig sei in dem Fall und damit auch für die Abschiebung von Gondo das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Das Rote Kreuz und seine Mitarbeiter leisteten im Übrigen gute Arbeit bei der Betreuung der Flüchtlinge – außer dem Wohnheim Siekhöhe betreibt das DRK in Göttingen noch ein weiteres Wohnheim für Geflüchtete.

Der Leiter der DRK-Einrichtung habe „Gondo eingeschüchtert, hingehalten und der Polizei zugeführt“

Erklärung des Projekts „OM 10“

Die Initiative „OM 10“ konkretisierte ihre Vorwürfe daraufhin. Das DRK sei sehr wohl aktiv an der Abschiebung Gondos beteiligt gewesen. Namentlich der Wohnheimleiter habe Gondo „eingeschüchtert, er hat ihn unter Vortäuschung falscher Tatsachen hingehalten, er hat ihn der Polizei zugeführt. Mehr aktiv geht nicht.“

Das Rote Kreuz erklärte gestern auf taz-Anfrage, es sehe „keinen Sinn darin, angesichts der undemokratischen und aggressiven Haltung dieser Gruppen“ – gemeint sind Gondos Unterstützer – „in einen konstruktiven direkten Dialog einzutreten oder einen Dialog via Presse zu führen“. Insbesondere die gegen den Einrichtungsleiter erhobenen Vorwürfe würden öffentlich nicht kommentiert.

„Dieser völlig verirrten Kampagne steht das DRK fassungslos gegenüber“, sagte dessen Kreisgeschäftsführer Herbert van Loh. Inhaltlich gehe es den Kritikern „gar nicht vorrangig um Herrn Gondo, der nach dem Dublin-Abkommen und somit europäischen Regeln nach Norwegen zurückzuführen war“. Es gehe einzig darum, diesen Vorfall zu einem „Spektakel“ aufzubauschen, vermutet van Loh, um gegen demokratische Beschlüsse und rechtsstaatliches Vorgehen von Behörden und Vollzugsbeamten das Ziel einer sofortigen Schließung des Flüchtlingsheims Siekhöhe doch noch und auf Umwegen zu erreichen.

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