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Schlacht der Linien

Humorvoll und abstrakt sind die Kriegskarten des Hannoveraner Künstlers Asmus Petersen. Die sind nun zur Feier seines 90. Geburtstags in einer Ausstellung im Sprengel-Museum zu sehen

Von Radek Krolczyk

Man kennt das vielleicht aus amerikanischen Fernsehserien der 70er-Jahre, aus Columbo oder Matlock: Der reiche Hauptverdächtige spielt in seiner Villa auf einer aus Sand nachgebauten Landschaft mit Zinnfiguren Schlachten des Bürgerkrieges nach. Man kann das nostalgisch nennen, eigentlich aber ist es psychotisch. Diese Herren haben die Schlachten des Nordens gegen den Süden zwar nicht miterlebt, fixiert darauf sind sie dennoch. Sie leiden unter Wiederholungszwang (und ihre Umgebung unter ihnen).

Es geht aber auch anders, künstlerisch sublimiert zum Beispiel. Wie in den Kriegskarten des Hannoveraner Künstlers Asmus Petersen, die zurzeit im Sprengel Museum zu sehen sind. Die meisten der grafischen Papierarbeiten und Acrylbilder des 1928 geborenen Malers beziehen sich auf Seeschlachten des Zweiten Weltkriegs, in der Hannoveraner Ausstellung vornehmlich auf den sogenannten Afrikafeldzug der deutschen Faschisten und die Pazifikschlachten der Amerikaner gegen die japanischen Royalisten.

Dabei wird eben nicht, wie bei den erwähnten Spielchen in den Herrenzimmern, eine Situation möglichst genau nachgespielt. Petersen bevorzugt Abstraktion und Humor. Man kann schlecht verleugnen, dass Kriege sich als Themen für welche künstlerische Form auch immer geradezu aufdrängen. Sie ändern und beenden gewaltsam Menschenleben oder ganze Kulturen. Für einen deutschen Künstler, der bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gerade mal elf Jahre alt war, muss die Erfahrung einer militarisierten Gesellschaft, das Verschwinden bekannter Menschen und die Zerstörung der direkten Umgebung zentral gewesen sein.

Umso interessanter ist die Tatsache, dass es Petersen in seiner künstlerischen Arbeit zum Krieg um all diese realistischen und im Deutschland der Täter selbstmitleidig vorgetragenen Aspekte überhaupt nicht geht. Das mag einer der Gründe dafür sein, warum Petersen in den 70er-Jahren als erklärter Kriegsgegner keinen Anschluss an die deutsche Friedensbewegung fand.

Der Titel der Ausstellung mag sich also auch auf die eigene künstlerische Position, nicht nur auf das Kriegsgeschehen beziehen: „Unfavourable Tactical Position“ – auf deutsch: „taktisch unvorteilhafte Position“. In der Kunstszene Hannovers gilt der studierte Wirtschaftswissenschaftler Petersen als feste Größe, aber auch als Außenseiter. Petersens Bilder bestehen zunächst aus Linien, die kriegerische Manöver auf dem Meer nachzeichnen.

Von 1993 stammt ein in Acryl auf Leinwand gemaltes Bild, das einen Einsatz der US-amerikanischen Marine gegen die japanische Kriegsflotte „Yamamoto“ im Pazifik zeigt. Datiert ist die Szene auf den 2. April 1942, 12:32 bis 14:13. Zu sehen sind schwarze Pfeile, die sich hakenschlagend über die gesamte Fläche bewegen, während lange, schmale, durchgehende Pfeile in zwei Reihen ihre Bahnen zu durchbrechen scheinen. „Nehmen Sie? Oder kann ich drauf?“, ist zwischen der Manövergrafik zu lesen – ein Satz, der sich auf einen Funkspruch des Marine­admirals Mitscher an den Kameraden Spruance bezieht.

Nicht immer wirken die Linien dieser abstrakten Kriegsbilder selbst auf eine so heftige, gewalttätige Weise bewegt. Ein früheres Acrylbild, das Petersen bereits 1983 malte, bezieht sich auf eine Seeschlacht, in der die japanische Flotte den US- Streitkräften unterlag. Der wunderbare Titel liefert bereits alle notwendigen Informationen: „Das Nachtgefecht bei Kap Esperance, 11.10.1942, 22:35–12:10“.

Weiter heißt es erklärend, dass sich die Japaner hier in einer taktisch ungünstigen Position befänden und nachts unterlegen seien. Die schwarzen und blauen Linien werden wohl den Schlachtverlauf nachzeichnen, sie wirken allerdings spielerisch, fast filigran: Die Bahn, die sie bilden, gestrichelt und geschwungen, erinnert an eine dekorative Naht. Warum auch sollte ein gewonnener Kampf der Alliierten nicht schön sein?

Eine Arbeit die aus der Reihe besonders herausfällt, erinnert an eine Mahnmaltafel: Vorn ist eine blaue Plexiglasplatte angebracht, darauf der Satz: „Wir sind wieder wer“. Dahinter schimmern die Namen der Deutschen Vernichtungslager hervor: Auschwitz, Belzec, Bergen-Belsen, Buchenwald. Petersen warnt vor der Normalisierung der postfaschistischen Republik. Interessant ist hier das Entstehungsjahr der Arbeit: Entstand sie anlässlich der Wiedervereinigung oder der deutschen Beteiligung am Jugoslawienkrieg? Nein, das Werk stammt bereits aus dem Jahre 1967. So überraschend, so hellsichtig.

Bis 29. Juli, Sprengel-Museum Hannover

Der Autor ist Betreiber der Galerie K’in Bremen

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