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„Es wirdam Bedarf vorbei gebaut“

Marco Alexander Hosemann vom Netzwerk Recht auf Stadt über den Mietenmove und warum es einfach nicht reicht, auf Neubauten und die freie Marktwirtschaft zu setzen

Interview Gernot Knödler

taz: Herr Hosemann, mit dem Mietenmove am Sonnabend rennen Sie beim rot-grünen Senat offene Türen ein. Wen wollen Sie eigentlich erreichen?

Marco Alexander Hosemann: Tatsächlich den rot-grünen Senat und natürlich alle Hamburger*innen. Ich glaube nicht, dass wir beim Senat offene Türen einrennen, denn anders als wir glaubt der Senat ja noch sehr an das Märchen von der freien Marktwirtschaft.

Der Senat hat den Wohnungsbau zur Priorität erklärt. Etwas Besseres können Sie sich doch kaum wünschen.

Das loben wir auch, gar keine Frage. Aber die Mieten steigen, obwohl der Senat uns in den vergangenen Jahren viele neue Wohnungen beschert hat.

Und warum steigen sie?

Weil den Investoren zu viele Freiheiten gelassen werden. Zudem unterstützt der Senat durch seine Grundstücksvergabepolitik die steigenden Mieten – etwa durch die Vergabe an Projektentwickler, die nicht für den eigenen Bestand bauen, sondern um mit Profit zu verkaufen.

Jeder will doch, dass so eine Investition etwas abwirft, oder?

Dabei kommt so etwas wie der grandiose Drittelmix mit einem Drittel Sozialwohnungen rum, der der Nachfrage nicht gerecht wird. Wenn wir nach dem Bedarf gingen, müssten wir über 50 Prozent Sozialwohnungen haben. Und dass diese Wohnungen in 15 Jahren wieder aus der Sozialbindung fliegen, trägt auch nicht gerade zur Lösung des Problems bei. Die Sozialwohnungen, die gerade gebaut werden, reichen gerade einmal aus, um den Bestand zu halten. Es ist nicht nur ein Problem für Geringverdiener, dass sie keine Wohnung finden, sondern zunehmend auch für Haushalte mit mittleren Einkommen.

Allerdings liegt die Durchschnittsmiete im Bestand der Saga unter der einer neu errichteten Sozialwohnung.

Wie lange wird das noch so sein und kann das den Bedarf decken? Wir sind nun mal eine wachsende Stadt. Deshalb müssen wir überlegen: Wie lösen wir das Problem der steigenden Mieten in der Zukunft?

Es gibt Bauwagenplätze, der Senat fördert Wohnprojekte und vergibt Grundstücke nicht mehr nur an den Meistbietenden, sondern an den, der das beste Konzept vorweisen kann.

Wir haben einen von Verdrängung bedrohten Bauwagenplatz bei der Demo am Samstag dabei: Zomia. Es ist ja so: Bei der Konzeptausschreibung zählt zwar zu 70 Prozent das Konzept, zu 30 Prozent aber immer noch schlicht der Preis. Damit ist es immer noch ein Höchstgebotsverfahren.

Die Bauwirtschaft klagt, sie habe schon Mühe, günstige Wohnungen zu bauen, weil die Auflagen etwa für den Klimaschutz so hoch seien.

Vieles ist einfach überreglementiert. Man könnte einiges erreichen, wenn man da etwas reformieren würde.

Wogegen Sie sich schwer wehren können, ist, dass viele Kapitalanleger ihr Heil in der Immobilie suchen.

Wir fordern, dass die Stadt keine Grundstücke mehr verkauft und stattdessen nur noch ein Erbbaurecht gewährt. Außerdem muss die Stadt ihr Vorkaufsrecht nutzen. So kann sie den Spekulanten zuvorkommen.

Marco Alexander Hosemann, 32, ist freier Autor und Referent, aktiv im Verein City-Hof und im Sprecher*innenrat des Netzwerks Recht auf Stadt Hamburg.

Wer könnte dann noch bauen?

Die Saga, gemeinnützige Genossenschaften, Stiftungen.

Die Saga hat schon versprochen, ihren Wohnungsbau anzukurbeln, muss dafür aber erst Kapazitäten aufbauen.

Das ist ein städtisches Unternehmen, das gemeinwohlorientiert handeln muss. Deshalb muss es nicht nur ein günstiges Angebot sichern, sondern auch ein günstiges Angebot schaffen.

Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Wohnfläche pro Kopf beinahe stetig gewachsen. Haben wir ein Luxus-Problem?

Die Stadt hätte Möglichkeiten, auch dort einzugreifen. Sie könnte den Bau von Kleinstwohnungen fördern. Hamburg ist nun mal eine Stadt der Sin­gles. Was am Markt jetzt realisiert wird, geht am Bedarf vorbei.

Mietenmove: Samstag, 2. 6., 13 Uhr, Spielbudenplatz

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