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Fenster aus Holz –und bitte alle nurnach außen zu öffnen

Gestaltungssatzungen sollen Städten und Gemeinden helfen, ihr „historisches Bauerbe“ zu schützen. Welche verschiedenen Interessen dabei aufeinandertreffen, zeigt das Beispiel des niedersächsischen Celle

Von Joachim Göres

Mit einer Gestaltungssatzung versuchen Kommunen, den besonderen Charakter von bestimmten Vierteln zu schützen. In Celle, wo mit fast 500 Fachwerkhäusern das größte geschlossene Fachwerkensemble in Deutschland steht, wird Hausbesitzern in der Altstadt deshalb vorgeschrieben, wie Dächer, Türen und Fenster auszusehen haben. In der 70.000 Einwohner zählenden Stadt soll nun eine neue Gestaltungssatzung die aktuelle von 1978 ablösen. Dabei prallen viele Interessen aufeinander.

Der Neigungswinkel der Dächer in der Altstadt – bisher sind 45–60 Grad erlaubt – soll künftig großzügiger festgelegt werden. Und bei den Fenstern ist Weiß nicht mehr die einzig mögliche Farbe für die Rahmen. Zudem soll für Neubauten nicht mehr zwingend der Fachwerkstil vorgeschrieben sein. „Wir wollen kein Freilichtmuseum sein, sondern nur die gröbsten Auswüchse verhindern“, sagte Stadtbaurat Ulrich Kinder (parteilos) kürzlich vor mehr als 100 Bürgern.

Zu den Auswüchsen gehören für ihn Sonnenschirme mit großer Werbung – sie sollen künftig nach seinem Willen verschwinden. „Die Werbeschirme bekommen wir von den Firmen umsonst, neutrale müssen wir bezahlen“, so die Kritik der Gastronomie. „Das ist ein klassischer Konflikt“, räumt Kinder ein. Er hatte auch statt der verbreiteten Werbeaufsteller aus Plastik solche mit einem Holzrahmen vorgeschlagen. „Ein einheitlicheres Außenbild kann positiv wirken. Aber wenn wir dafür Geld in die Hand nehmen, muss auch die Frequenz in den Geschäften tatsächlich steigen“, lautet der Kommentar eines Ladenbesitzers.

Der Vertreter der Industrie- und Handelskammer verlangt, mehr Ausnahmen bei der Werbung auf Schaufenstern zuzulassen – nach den Plänen der Stadt sollen maximal 15 Prozent der Fläche für Schriftzüge erlaubt sein, das vorübergehende Zukleben der ganzen Fläche mit Werbung soll ganz tabu sein. „Das Zukleben der Schaufenster passt nicht zum Charakter der Altstadt“, sagt Kinder. Der städtische Wirtschaftsförderer Thomas Faber setzt indes einen anderen Akzent: „Bei besonderen Aktionen werden wir das weiter möglich machen.“

Klagen über Sonnenschirme

Der Sozialverband Deutschland beklagt hingegen, dass die vielen Werbeaufsteller, Sonnenschirme, Tische und Blumenkü­bel für Eltern mit kleinen Kindern, Ältere und Behinderte zu Hindernissen werden. In Fußgängerzonen sei es für Sehbehinderte oft nicht mehr möglich, sich an den Schaufenstern zu orientieren, weil dort alles vollstehe – eine freie Schutzzone von einem Meter an den Häuserfronten sei nötig. Dieses Thema spielt in der geplanten Gestaltungssatzung bislang keine Rolle. Eine Bürgerin verlangt generell weniger Werbeaufsteller vor den Geschäften, egal ob aus Plastik oder Holz: „Die Frage ist doch: Wollen wir eine schöne Stadt oder eine zugemüllte Stadt?“

Festgeschrieben werden soll auch, dass Fenster aus Holz sein müssen und nur nach außen geöffnet werden dürfen. „Haben Sie so schon mal in der 3. Etage Fenster geputzt?“, lautet der Einwand eines Bewohners. „Eine gefahrlose Reinigung muss möglich sein. Das ist dann vielleicht nicht perfekt, aber das ist der Preis, den man für eine besonders schöne Altstadt in Kauf nehmen muss“, entgegnet Kinder.

Manche Neuerungen in der Satzung haben auch einfach mit der technischen Entwicklung zu tun – wie beispielsweise der Ausschluss von Anlagen zur Gewinnung von Windenergie sowie der Festlegung, unter welchen Bedingungen Photovoltaik- und Solarthermieanlagen auf den Altstadtdächern zulässig sind.

Nach der Kritik am ersten Entwurf hat die Stadt Celle schon einige Rückzieher gemacht: Luftballons mit Werbeaufdruck vor den Geschäften bleiben künftig erlaubt. Auch die Idee, nur noch handgeschriebene Texte auf Werbeaufstellern zuzulassen, wurde aufgegeben. Nach einer Überarbeitung wird die Gestaltungssatzung noch mal der Öffentlichkeit präsentiert. Sollte der Stadtrat am Ende zustimmen, gilt Bestandsschutz. Wer aber bei Um- und Neubauten gegen Neuregelungen verstößt, dem droht laut der niedersächsischen Bauordnung eine Geldbuße von bis zu einer halben Million Euro.

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