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„Eine aufblühende Stadt“

Adrian Tonon leitet das Bürgeramt von Detroit. Mit der taz spricht er über die legendäre Musikgeschichte seiner Heimatstadt und die Aussichten für ihr kreatives Potenzial

Interview Jens Uthoff

taz: Adrian Tonon, in Detroit hat bereits eine gemeinsame Konferenz mit Berliner und ­Detroiter Kulturakteuren stattgefunden – Titel: „The Potential“. Welches Potenzial steckt denn in diesem Kulturaustausch?

Adrian Tonon: In erster Linie bringt er Menschen zusammen, die gemeinsam Pläne für das Kulturleben beider Städte entwickeln. Wir als Kommune erfahren, was wir richtig gemacht haben und was wir besser machen können. In Detroit errichten wir im North End etwa aktuell einen „Music District“, wo Veranstaltungsorte und bezahlbarer Wohnraum für Kreative entsteht – unser Bürgermeister Mike Duggan meinte, es bringe ja nichts, diese Kulturquartiere zu errichten, wenn die Künstler am Ende sagen: Ich gehe lieber woanders hin, ich will gar nicht in ein Viertel, in dem nur Kreative wohnen.

Detroit galt als „Shrinking City“, sogenannte „Ruin Porn“-Bilder von verlassenen Gegenden und Gebäuden gingen um die Welt. Hat das in irgendeiner Hinsicht auch positive Effekte gehabt?

Der Ruinenporno ist ein Teil unserer Geschichte. Es gibt viele verlassene Gebäude, aber wir müssen jetzt sehen, dass wir all diese entweder renovieren oder abreißen. Wir haben eine widerstandsfähige, kreative Community, die den Kopf oben hält. Vielleicht eine Parallele zu Berlin: Zu Zeiten des Mauerfalls war auch nicht alles nur positiv – aber die Berliner haben etwas Positives daraus gemacht.

Nach Detroit kamen zuletzt Kreative wie der Berliner Impresario Dimitri Hegemann und Jack White von den White Stripes, um in der Stadt etwas aufzubauen.

Jack White stammt ja aus dem Südwesten Detroits, heute pendelt er zwischen Nashville und Detroit. Die meisten einheimischen Stars haben noch Wohnungen hier, neben Jack White zum Beispiel Marshall Mathers (Eminem) und Big Sean. Und Techno-Produzenten wie Mike Banks leben immer noch am gleichen Boulevard wie einst. Sie vergessen ihre Stadt nicht.

Verglichen mit Berlin ist die Clubszene in Detroit überschaubar. Wie kann es sein, dass eine Musikstadt wie Ihre kein florierendes Clubleben hat?

In Detroit leben heute nur noch 700.000 Einwohner, in Berlin sind es 3,5 Millionen. Wir haben nicht das gleiche Humankapital, die Demografie ist anders, nach Berlin kommen Wochenend-Touristen aus ganz Europa. Dennoch: Wenn ich in Detroit durch die Straßen gehe, sehe ich gerade eine aufblühende Stadt. Es gibt eine Menge Aktivitäten, wir haben lange nicht so viele Firmen nach Detroit kommen sehen wie jetzt.

Detroit hat gleich mehrmals Musikgeschichte geschrieben, man denke an Motown und Detroit Techno. Muss man das offensiver für das Stadtmarketing nutzen?

Eigentlich will ich gar nicht immer nur Motown als Beispiel nehmen, aber Motown hat nun mal gezeigt, wie Musikwirtschaft funktionieren kann – mit den Künstlern, dem Management, den Aufnahmestudios und den Vertrieben an einem Ort. Wir versuchen wieder, so etwas aufzubauen. Aktuell gründen sich zum Beispiel wieder Agenturen, Labels und Musikschulen in der Stadt. Und es ist spannend zu sehen, was in der Community passiert. Gestern Nacht waren wir auf einem Event im Südwesten der Stadt, da waren verschiedene Kollektive der jungen, braunen und schwarzen Kieze, die tolle Sachen auf die Beine stellen. Man vermutet dort viel HipHop, aber die Headliner waren eine junge Jazz-Band, unglaublich, das hätten Sie sehen müssen! Es muss in die Richtung gehen, dass sie es mit ihrer Musik in Detroit schaffen können und nicht nach New York oder L. A. gehen müssen.

Adrian Tonon leitet den Bereich Bürgerservice Detroit und arbeitet eng mit Bürgermeister Mike Duggan (Demokraten) zusammen. Tonon ist Musik­produzent und hat soziale und kulturelle Projekte initiiert.

Das Festival „Detroit – Berlin: One Circle“ , 30. Mai bis 2. Juni im HAU/Berlin. Der Kulturaustausch und die Entwicklung beider Städte stehen im Vordergrund. Tonon spricht bei der Diskussion „How Techno Came to Europe“ u. a. mit Mike Banks (Underground Resistance). www.hebbel-am-ufer.de

Sie selbst arbeiten auch als Musikproduzent mit Nachwuchs-Bands, richtig?

Ja, wenn man tagsüber Kampagnenarbeit macht, ist es schön, abends zu sehen, wie konzentriert die talentierten Musikerinnen und Musiker in den Studios an ihrem Material arbeiten. Gerade machen wir etwas mit den Rappern Royce da 5’9“und Kid Vicious, es gibt Talente wie Curtis Roach. Ihre Musik ist ansteckend. Einige berühmte Filmproduzenten, die vor Kurzem in Detroit waren, sagten, sie hätten noch nie eine Stadt gesehen, die so sehr bereit sei, die Musik aufzubrechen.

Das klingt alles sehr optimistisch. Im Bürgerservice dürften Sie auch die andere Seite mitbekommen, die Probleme, die eine Stadt hat, in der ein Drittel der Bevölkerung arm ist.

Natürlich bekommen wir da die Probleme zu spüren. Im Moment überwiegt für mich, dass Leute aus verschiedenen Teilen der Welt nach Detroit kommen, um Strategien für die Stadt der nächsten 50 oder 100 Jahre zu entwickeln. Zum Beispiel haben wir eine „Housing and Revitalisation“-Abteilung, die nun 12.000 bezahlbare Wohneinheiten schaffen will. Und wir haben 30 junge schwarze Frauen und Männer im Büro des Bürgermeisters – was in der Vergangenheit alles andere als selbstverständlich war.

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