piwik no script img

15 Minuten Polizeigewalt

Bei einer Hausdurchsuchung sollen Polizisten jugendliche Geflüchtete brutal misshandelt haben

Von Uta Schleiermacher

Ein Jugendhilfeträger erhebt schwere Vorwürfe: Bei einer Hausdurchsuchung in einer Lichtenberger Wohngruppe für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge sollen Polizisten am 9. Mai zwei Jugendliche schwer misshandelt und verprügelt haben. Ein Jugendlicher musste laut Träger, dem Kinder- und Jugendhilfe-Verbund Berlin/Brandenburg, von einem Notarzt behandelt werden, ein zweiter kam mit Schnittverletzungen ins Krankenhaus. Die Polizisten sollen auch in Zimmer eingedrungen sein, für die sie keinen Durchsuchungsbeschluss hatten. Nach dem Einsatz sei die Wohnung, in der zum Zeitpunkt drei Jugendliche wohnten, zeitweise unbewohnbar gewesen. So steht es in der Stellungnahme des Trägers vom 17. Mai.

Eine Polizistin habe sich bereits im April bei der Betreuerin und dem Vormund gemeldet und eine Zimmerdurchsuchung angekündigt. Die Polizei sei auf der Suche nach einer Geldbörse und einem Personalausweis. Die Beamtin habe der Betreuerin versichert, dass nur ein Zimmer und die Gemeinschaftsräume durchsucht würden.

Doch daran hielten sich die Polizisten, die die Wohnung am 9. Mai frühmorgens durchsuchten, offenbar nicht. Sie seien in alle drei Zimmer eingedrungen. Dort „rissen sie einen Jugendlichen aus dem Bett und schleuderten ihn in den danebenstehenden Schrank mit Glastür. Die Glastür zerbrach, der Jugendliche erlitt mehrere tiefe Schnittwunden im Arm, die stark bluteten“, heißt es im Bericht des Trägers. Der Jugendliche werde „deutlich sichtbare Spuren des Übergriffs“ behalten. Er musste zweimal operiert werden und drei Nächte im Krankenhaus bleiben.

Einen zweiten Jugendlichen hätten die Polizisten in seinem Zimmer zu Boden geworfen, fixiert, mit Schlagstöcken traktiert und in den Flur geschleift, sodass er von einem Notarzt versorgt werden musste. Dieser Jugendliche sei seitdem nicht in der Lage, in die Wohnung zurückzukehren und leide an Schlafstörungen und Angstzuständen. Seit dem Vorfall „habe er den Glauben an die Polizei verloren“, zitiert der Träger den Jugendlichen. Auch der dritte, noch minderjährige Jugendliche – dem die Durchsuchung galt – sei fixiert und herumgeschleift worden und habe Schürfwunden am Kopf. Er habe keinen Widerstand gegen die Beamten geleistet.

LKA ermittelt

„15 Minuten Polizeigewalt haben zwei Jahre Jugendhilfe und therapeutische Arbeit zerstört“, schreibt der Kinder- und Jugendhilfe-Verbund. „Wir fordern alle zuständigen Behörden auf, den Vorfall schnellstmöglich aufzuklären.“ Die Polizei solle sich bei den Jugendlichen entschuldigen und sie für die körperlichen und seelischen Schäden entschädigen.

Die Polizei teilte mit, dass sie den Jugendlichen wegen Raub verdächtige. Er sei als Gewalttäter bekannt und habe auch schon Polizisten angegriffen. Nach den Vorwürfen „unverhältnismäßiger Gewaltanwendung“ ermittelt das Landeskriminalamt nun gegen die beteiligten Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. Auch die Senatsverwaltung für Jugend sagte, dass sie dem Vorfall nachgehen werde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen