: Mühle, Dame,Kunststoffreste
Bunte Plastikdeckel sind leicht zu beschaffen. Das mit dem tragbaren Spielbrett ist dann schon ein bisschen komplizierter
Von Waltraud Schwab (Text und Fotos)
Angefangen hat alles im Weltladen der Kapernaum-Kirche in Berlin-Wedding, wo ich wohne. Dort erfuhr ich, dass der Weltladen auch eine Sammelstelle für Kunststoffdeckel von Plastikflaschen und Milchkartons ist. Das sei, wurde mir erklärt, besonders wertvoller Kunststoff, HDPE oder PP nämlich, der besser recycelt werden könne, aber bitte sortenrein. Mit dem Erlös von 500 Plastikdeckeln könne eine Impfung gegen Kinderlähmung finanziert werden.
Es ist ein Projekt des Vereins „Deckel drauf“. 165 Millionen Deckel wurden in den vier Jahren, seit der Verein besteht, schon gesammelt und damit 330.000 Schluckimpfungen finanziert. So steht es auf deren Website deckel-gegen-polio.de. Deutschland, ein Deckelsammelland.
Plastikdeckel waren auf meiner inneren Landkarte bislang nicht als Ausgangsmaterial für Schönen Müll vorgekommen. Die Deckelaktion änderte dies, ich fragte mich: „Was kann dieser Deckel noch sein?“ Spielsteine für Mühle und Dame, dachte ich. Brettspiele für draußen, beim Picknick. Die Spielsteine könnten sogar auf den Flaschen drauf sein, die man mitbringt.
Ich begann, Deckel zu sammeln. In allen Farben. Am meisten liebe ich die orangefarbenen, von denen habe ich bisher erst vier. Ich kaufte meine Getränke nach Farben ein.
Die Idee für diese Schöner-Müll-Ausgabe wurde mit der Zeit immer komplexer. Die Spielbretter müssten auf einer Tasche aufgenäht oder -gemalt sein, gefertigt idealerweise aus einem alten Geschirrhandtuch, das so groß ist, dass auch noch ein wenig Stoff zum Was-Abwischen dabei ist. (Beim Picknick fehlt doch fast immer ein Handtuch.) Die Spielsteine sollten wiederum in wiederverschließbare Tüten gesteckt werden, in denen – jedenfalls in meinem Fall – vorher Salz oder Kaffee war. Alles in diesem Projekt ist also aus Altware. Allerdings stellte sich heraus: Die Umsetzung ist nicht so einfach.
Vor allem das Damebrett war eine Herausforderung, also die schwarzen Felder, nicht die weißen. Sie mit Textilfarbe aufzumalen wäre schnell gegangen, hat mir aber nicht gefallen – die Textur ist komisch, befand ich. Der Versuch, die Felder mit dem Zickzackstich einer Nähmaschine auszufüllen, klappte ebenfalls nicht richtig, denn der Stich zog das Gewebe des Tuches zusammen. Ich probierte dann nähend zu kritzeln. Das zog das Tuch zwar auch zusammen, aber nicht so stark. Wer allerdings denkt, die genähte Kritzelei erledigt sich im Handumdrehen, wird andere Erfahrungen machen. Nähend kritzeln ist ein Geduldspiel.
Ich habe es übrigens auch auf karierten Tüchern probiert, weil dann die Spielfelder leichter zu berechnen sind, habe das aber wieder verworfen. Die Muster lenken zu sehr ab.
Zusätzlich habe ich an allen vier Ecken noch Schlaufen eingenäht. So kann man das textile Spielbrett mit Stöckchen oder Grillspießen fixieren, und kein Windstoß kann die Mühlepartie vorzeitig beenden. Für die oberen Kanten und die Tragebänder habe ich waschbares Satinband benutzt, damit die viele Arbeit durch einen eleganteren Touch geadelt wird.
Denn hätte ich gewusst, wie viel Mühe die Herstellung macht, hätte ich kein altes, wenngleich mit Monogramm versehenes Geschirrhandtuch verwendet, sondern … Aber ach, dann wär’s ja kein Schöner Müll. Und übrigens: Wenn Sie irgendwann ausgespielt haben sollten, können Sie die Deckel ja immer noch spenden.
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