Kolumne Wir retten die Welt: Suchet Öko-Pax, ihr Anti-Carboniter!

Warum ketten sich die Prius-Brüder nicht vor den Eingang der VW-Hauptversammlung? Die Kirche muss mehr Druck für den ökosozialen Fortschritt machen.

Die Hand eines Geistlichen schwenkt einen dampfenden Weihrauchbehälter

Das neue Tool für Sit-Ins, Blockaden und beim Schottern? Foto: dpa

Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Ja, aber diesmal war es nicht der rosarote Panther, sondern das orangefarbene Monster. Die berühmte „Weltuntergangsuhr“ von Atomwissenschaftlern ist mit der Kündigung des Iran-Deals durch US-Präsident Trump garantiert wieder nach vorn gerückt. Dabei stand sie bisher schon auf 2 vor 12. Es wird also wirklich eng, glaubt man an die „Doomsday Clock“.

Da passt es wie das Kreuz auf den Söder, dass der Katholikentag, der gerade in Münster zu Ende ging, als Motto hatte: „Suche Frieden!“ Trump ist ja nicht eingeladen. Aber das Bild von der Uhr, die auf kurz vor knapp steht, kennen die Gläubigen sehr gut. Gerade hat wieder ein A-Promi der Katholiken, der ehemalige Abt des Schweizer Klosters Einsiedeln, Martin Werlen, ein Buch veröffentlicht mit dem schönen Titel „Zu spät“. Die Kirche sei in ihrer heutigen Form nicht mehr zu retten, schreibt er. Aber: Ist der Ruf erst ruiniert, glaubt’s sich völlig ungeniert.

Man mag von den christlichen Kirchen halten, was man will (Achtung, Disclaimer: Ich halte viel von ihnen trotz katholischer Erziehung, Jesuitenschule und dem vollen christlichen Programm für unsere Familie). Aber Katholiken- und Kirchentage sind Orte, wo der Anteil an Arschgeigen extrem niedrig ist. Und wo so kenntnisreich und engagiert über „Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung“ debattiert wird wie sonst nur auf dem taz lab.

Frieden, Gerechtigkeit, Umwelt – taz lab als Katholikentag

Aber eines haben die Christinnen und Christen noch nicht verstanden: dass sie zum Teufel nochmal besser mitmachen müssen, wenn es darum geht, die Welt zu retten. Denn ja: Es gibt kirchliche Hilfswerke, die beim Klimaschutz mobil machen. Ja: Gemeinden stellen Ökostrom aufs Dach und Biomöhren in die Kita und ja, Papst Franziskus verdammt per Enzyklika „Laudato si“ Umweltzerstörung und Kapitalismus.

Aber Kirchen könnten die Politik noch viel lauter und geschlossen mahnen, ihre Nachfrage ökologisch bündeln und international viel mehr Druck für ökosozialen Fortschritt machen. Ab und zu ein bisschen Glockenbimmeln reicht nicht mehr.

Wenn es in den 2.000 Jahren Christentum ein echtes Problem gab (Kreuzzüge, Seuchen, Armut), hatte die Kirche immer eine Antwort parat: Sie gründete einen Orden. Von denen gibt es inzwischen weit über 1.000. Sie beten, pflegen Kranke oder unterrichten Schüler. Alles toll. Aber nicht einer dieser Orden wurde gegründet, um zu verhindern, dass wir den Garten Erden in eine Vorhölle verwandeln.

Das müsste sich ändern. Und es läge so nahe: Wer könnte unseren Lebensstil besser geißeln als ein Orden der Nonkonsumikaner? Wer würde besser gegen den CO2-Ausstoß wettern als die Anti-Carboniter? Und warum ketten sich zum Protest gegen die Verkehrspolitik nicht die Prius-Brüder vor der VW-Hauptversammlung an die Tore?

Es ist also 1 vor 12 für eine neue katholische Gründergeneration der Öko-Paxe. Moment mal, was sehe ich denn da? Es gibt bereits die „Ador­no Fathers“. Das wäre ja mal ein Anfang.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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