: König ohne Duschkopf
Gastspiele zeigen und Gastspiele zu präsentieren ist ein Unterschied. Ohne eine Rahmung bleibt der Mehrwertvon „The Last King of Kakfontein“ gering
Von Astrid Kaminski
Der angekündigte König kommt spät, aber er kommt. Wenn es auch schwerfällt, dem Performer Boyzie Cekwana den Rollenwandel vom nostalgischen Kindheitsrhapsoden zum altersschwachen Despoten abzunehmen. Der Wandel besteht in einer Krone und einem Umhang über der bisher getragenen Camouflage-Garderobe. Einen Duschkopf trägt er also nicht. Auch das war angekündigt. Selten war die Diskrepanz zwischen Programmnotiz und Stück so groß wie in „The Last King of Kakfontein“. Dass es Diskrepanzen gibt, ist normal. Dramaturgen und PR-Leute schreiben diese Zettel schon, bevor ein Stück kurz vor der Premiere unter Umständen noch einmal kräftig durchgeknetet wird.
Daher ist der Griff zur Programmnotiz eher Ultima Ratio. Was allerdings wertvoll sein kann, ist eine kontextuelle Einordnung, gerade im Fall von Performances, die in anderen soziokulturellen und politischen Umfeldern entstanden sind. Vielleicht hatte das HAU Hebbel am Ufer, wo Cekwana vor dem Wochenende gastierte, gerade einen Hänger? Die kurze Notiz, die das Theater für die schwer nachvollziehbare Performance von Cekwana und seinem dreiköpfigen Chor liefert, macht alles noch unverständlicher. Es ist von „vokalen Beschwörungen von halb vergessenen Mbaqanga-Songs“ und „entwendeten Mqhayi-Gedichten“ die Rede. Sind die Mbaqanga eine Musikrichtung oder eine Ethnie? Und wie steht es um Mqhayi? Literaturgenre oder Ethnie? Warum „entwendet“? Diese Fragen erschließt auch das Stück nicht.
Einmal taucht vermutlich das Wort „Zulu“ auf. Aber allein das Herausfiltern dieser größten südafrikanischen Ethnie reicht nicht. Es gibt mehrere Gründe, warum sich ein traditionell wirkender Gesang auf das Wort „Zulu“ beziehen kann. Werden die eigenen Leute genannt? Oder eine andere Partei? Und in welchem Zusammenhang? Die Suchmaschine findet heraus, dass Mbaqanga eine Musikrichtung ist, Mqhayi ein Autor. Und der hat auch einen Vornamen: Samuel. Welcher Textteil ihm im Stück zugeschrieben werden kann, bleibt jedoch unklar. Die lyrischen Stellen über „eine Vergangenheit, die am Fuß meiner Träume in Trümmern lag“? In den Credits wird nur Cekwana genannt.
Boyzie Cekwana galt lange Jahre als angesagter südafrikanischer Choreograf. Das HAU hat ihn erst recht spät in Berlin präsentiert. „Banana Republics“, das er 2015 zeigte, war ein handwerklich gut gemachtes Kolonialismus-Aufarbeitungsstück. „The Last King of Kakfontein“ (2017) lässt mich dagegen inhaltlich wie formal vollkommen ratlos zurück – viel hätte auch eine bessere Werkeinführung nicht herausgerissen. Das Stück wirkt dürftig zusammengesetzt, ohne Entwicklung, mit Szenenwechseln, die unmotiviert wirken, ohne choreografische Elemente, die über rechts, links oder einmal durcheinander hinausgehen.
Zwischen alten Gummireifen, gerahmt von zwei- bis dreistimmigen Gesängen mit Ululation, Gitarre und Percussion aus leeren Cola-Dosen und Flaschendeckel-Rassel rezitiert Cekwana auf einer Metaebene ein Haus herbei, das von Gerüchten besetzt wurde. Gerüchte seien wie Väter, und die Väter (der Nationen) wie Gott – von beiden sei unklar, ob es sie wirklich gibt. Die Wörter „Krieg“ und „Lüge“ fallen. Die eingestreuten Erinnerungen an Reifenspiele aus der Kindheit wirken weniger notwendig als vielmehr nostalgisch und eitel.
Als Subtext lässt sich die Frustration über den im Februar abgetretenen Ex-Präsidenten Südafrikas Jacob Zuma vermuten. Die Frustration darüber, Demokratie als reine Fassade vor einen Staat zu setzen, in dem, wirtschaftlich gesehen, die Korruption die Fortsetzung der Apartheid mit anderen Mitteln ist. Da der Duschkopf (ein Symbol für Zuma, der einmal von Duschen als HIV-Schutz sprach) aus der Programmnotiz nicht mehr im Stück auftaucht, soll es aber wohl keinen direkten Bezug geben.
Vielleicht sind die Zeitungspapierknäuel, die als Schattentheater kurz auf die rückseitige Leinwand geworfen werden, ein Hinweis darauf, dass „Kakfontein“ – was von fern an das „Schoiße“ aus Alfred Jarrys „König Ubu“ erinnert – überall sein könnte? Dafür aber bleibt Cekwana zu dicht an sich selbst dran. Am Ende kommt eine Handkamera ins Spiel, Cekwana filmt Cekwana. Die Selbstinszenierung von Potentaten durch Selbstinszenierung demaskieren zu wollen, wirkt hier unglaubwürdig.
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