heute in bremen: „Ich könnte Ihre Leber klonen“
Interview Gareth Joswig
taz: Herr Porzel, wie oft werden in Bremen Versuche an Tieren vorgenommen – und wie sehen die aus?
Robert Porzel: In Bremen sterben jährlich rund 3.000 Tiere in Versuchen. Am bekanntesten sind die Affenversuche des Neurobiologieprofessors Andreas Kreiter von der Uni Bremen. Aber es gibt auch Tierversuche am Alfred-Wegner-Institut, und an der Jakobs-Uni wurde Handystrahlung an Hamstern ausprobiert.
Wie bewerten Sie als Wissenschaftler diese Experimente?
Statistisch gesehen bringen sie gar nichts. Es handelt sich um eine reine Neugierforschung. Man hat nach Handystrahlenexperimenten zwar viele Infos über Hamstergehirne, doch diese lassen sich nicht auf den Menschen übertragen. Weder Aspirin noch Penicillin hätten Tierversuche überstanden, weil die Stoffwechselprozesse so verschieden sind. Petersilie tötet Papageien, während wir sie gerne mit Kartoffeln essen. Und Schafe können eine Badewanne Arsen leertrinken, uns können schon kleine Mengen davon töten.
Warum gibt es sie dann immer noch?
Als Forscher bekomme ich Anreize, Tierversuche zu machen: Es locken Projekte, Mitarbeiter und Publikationen. Aus der deutschen Forschungsgemeinschaft fließen jährlich 2,7 Milliarden Euro in die Wissenschaft mit, acht Millionen gibt es für Forschung ohne Tierversuche. Und in der Industrie sind sie zum Teil sogar gesetzlich vorgeschrieben – selbst wenn Versuche mit gezüchteten menschlichen Organen zielführender und billiger wären. Das kann man sogar individualisieren. Ich könnte Ihre Leber klonen und dann testen, was hilft.
Lieber nicht. Aber gibt es nicht medizinische Bereiche, in denen Versuche helfen können?
Demo „Tierleidfreies Bremen“: 20 Tierschutzorganisationen protestieren, 11 bis 16 Uhr, auf dem Bremer Marktplatz
Ja, Mäusekrebs können wir inzwischen sehr gut heilen. Nur hat das leider Menschen nichts genützt: Wenn es tatsächlich irgendwo eine Kausalkette von Tierversuchen zu marktreifen Medikamenten gäbe, dann würden sich das sämtliche Lobbyorganisationen auf die Fahnen schreiben. Tun sie aber nicht, weil Tierversuche Alchemie sind. Es ist mittelalterliches Rumgestochere – von ethischen Fragen ganz zu schweigen.
Was tun Sie als Tierschützer dagegen?
Wir versammeln uns mit anderen Tierschutzorganisationen und demonstrieren für ein „tierleidfreies Bremen“ auf dem Marktplatz.
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