Claudius Prößer über die Gründung der Berliner Regenwasseragentur
: Mit Moos wird man den Regen los

Auf „Drei!“ ziehen Umweltsenatorin Regine Günther und Jörg Simon, Chef der Berliner Wasserbetriebe (BWB), an einem silbernen Tuch an einer Hauswand in der Neuen Jüdenstraße. Im Fallen gibt es den Blick frei auf ein Behördenschild, das seinesgleichen sucht: „Berliner Regenwasser Agentur“ steht da in Grün auf Weiß, und wer sich nähert, erkennt, dass die reliefartigen Lettern aus lebendem Material gefertigt sind: Moos. „Ist echt“, sagt ein Mann im Overall, „ich hab’s selbst da reingefriemelt.“

Es handelt sich quasi um eine Miniausgabe der murs végétaux, der aufwändig begrünten Hauswände des Franzosen Patrick Blanc, die zeigen, wie Gärtnern in der Vertikalen funktioniert. Womit man beinahe schon beim Thema der Agentur mit dem sonderbaren Namen ist. Die soll unter anderem bei der Bepflanzung von Häusern beraten, auch wenn da die Waagerechte, sprich: das Flachdach, Standard sein dürfte.

Ziel der in die BWB eingebundenen Agentur, die von der Ingenieurin Darla Nickel geleitet wird und vom Senat in den kommenden zwei Jahren je 600.000 Euro erhält, ist die Verringerung des Regenwassers, das in den Gulli fließt – vor allem im Innenstadtbereich mit seiner Mischwasserkanalisation. Das Problem dort ist vielen geläufig: Sommerliche „Starkregenereignisse“ überfrachten die Kanäle, in denen Niederschlagswasser sich mit Abwasser mischt, und eine fiese Brühe ergießt sich in Spree und Landwehrkanal.

Wenn nun ganz viele Gebäude begrünt werden, so die Rechnung, entstehen Zwischenspeicher, aus denen das Wasser entweder langsam in Richtung Boden abfließen kann oder aber wieder verdunstet – was dem lokalen Klima gerade in wärmer werdenden Zeiten gut tut. Günther bringt es auf den Punkt: „Wir wollen große Stadtflächen in einen Schwamm verwandeln.“ Dem zugrunde liegt ein Beschluss des Abgeordnetenhauses, dass jedes Jahr 1 Prozent weniger Regenwasser in der Kanalisation landen soll.

Da ist es mit ein paar Dächern nicht getan, weshalb Agenturleiterin Nickel in den kommenden Monaten viele Gespräche mit städtischen Akteuren führen und Überzeugungsarbeit leisten will. Auch jede entsiegelte Fläche am Boden trägt dazu bei, die Regenwasserlast zu verringern. Als gutes Beispiel gilt die Bebauung an der Rummelsburger Bucht: Dort wurden schon vor 20 Jahren im Rahmen eines „Expo“-Projekts viele sickerfähige Flächen auf Gebäuden und drumherum geschaffen.

Etwas kurz fällt die Antwort des BWB-Chefs auf eine naheliegende Frage aus: Wenn man Dächer massenhaft begrünt, wo sollen dann die Solarpanels stehen, die die Berliner Stadtwerke – ebenfalls Teil der BWB – auf den Dächern Berlins installieren will? „Das kann man heute durchaus kombinieren“, so Simon. Was zu beweisen wäre.