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Nur eine Sanktion für einmal Nichtstun

Grundsatzurteil: Bundessozialgericht verhindert exzessive Sperrzeiten für Erwerbslose, die sich auf mehrere Stellenangebote nicht bewerben

Von Christian Rath, Freiburg

Wenn ein Erwerbsloser gleichzeitig drei Stellenangebote ignoriert, kann er dennoch nur eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I erhalten. Das entschied jetzt das Bundessozialgericht. Die Agentur für Arbeit wollte gleich drei Sperrzeiten verhängen.

Konkret ging es um einen Koch aus Radeburg bei Meißen (Sachsen). Als er arbeitslos wurde, bot ihm die Arbeitsagentur im November 2011 bei einem Gespräch zwei Stellen an: in einem Hotel im Schwarzwald und in einem Gasthaus im bayerischen Sonthofen. Einen Tag später erhielt der Mann per Brief noch ein drittes Angebot als Beikoch in einem Klinikum in Meißen-Radebeul. Doch der Koch bewarb sich bei keinem der drei Arbeitgeber. Als die Agentur nach einigen Wochen nachfragte, hatte er keine Rechtfertigung, kündigte aber an, er wolle die Bewerbung umgehend nachholen.

Die Agentur wertete seine Untätigkeit als dreimaliges versicherungswidriges Verhalten. Für das erste Mal verhängte sie eine Sperrzeit von drei Wochen, für das zweite Mal von (parallel) sechs Wochen und für das dritte Mal für (anschließend) zwölf Wochen. Insgesamt wurde ihm also das Arbeitslosengeld für 18 Wochen, das heißt viereinhalb Monate, gestrichen. Dagegen klagte der Koch, weil er die Maßnahme völlig überraschend und unverhältnismäßig fand.

Das Bundessozialgericht nutzte den Fall nun für ein Grundsatzurteil und stellte klar: Wenn mehrere Beschäftigungsangebote in einem so engen zeitlichen Zusammenhang unterbreitet werden, dass sie dem Arbeitslosen gleichzeitig vorliegen, dann ist von einem „einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalt auszugehen“. Ein Arbeitsloser, der sich in der Folgezeit auf keines der Angebote bewirbt, verhält sich deshalb auch nur einmal versicherungswidrig und nicht mehrfach. Dementsprechend durfte gegen ihn auch nur eine Sanktion und nicht mehrere Sanktionen verhängt werden. Das heißt, der Koch musste nur eine dreiwöchige Sperrfrist gegen sich gelten lassen.

Wie dicht Vermittlungsangebote aufeinander folgen können, um dennoch mehrere Sperrzeiten auszulösen, entschied das BSG nicht. Die Vorinstanz, das Landessozialgericht Chemnitz, hatte geurteilt, dass erst eine Sperrzeit wirksam verhängt werden muss, bevor ein zweites versicherungswidriges Verhalten folgen kann.

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