piwik no script img

Wieder eine Wucht

Dank seiner grandiosen Offensive erzielt der FC Liverpool gegen den AS Rom einen berauschenden 5:2-Sieg und ist nun ein Anwärter auf den Champions-League-Titel

Man weiß sich zu schätzen: Jürgen Klopp mit seinem Wunder­stürmer Mohamed Salah Foto: ap

Aus Liverpool Hendrik Buchheister

Der FC Liverpool lebt wie kaum ein anderer Verein im europäischen Fußball von seiner stolzen Geschichte, von vergangenen Titeln und von großen Persönlichkeiten. Es hat also eine ganz besondere Bedeutung, wenn Steven Gerrard, langjähriger Kapitän und Führungsfigur beim bislang letzten Gewinn der Champions League 2005, den wichtigsten Spieler der Gegenwart mit einem Superlativ versieht. „Er ist in der Form seines Lebens. Ohne Zweifel ist er im Moment des beste Spieler des Planeten“, sagte Gerrard nach dem 5:2 an der Anfield Road im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen den AS Rom.

Der Empfänger dieser Würdigung war Angreifer Mohamed Salah, der spätestens mit der Partie gegen seinen Exverein, der ihn im Sommer für vergleichsweise lächerliche 42 Millionen Euro an Liverpool abtrat, in der Weltelite angekommen ist. Er war der überragende Mann mit zwei Toren und zwei Vorlagen. Das Schauspiel veranlasste die Times, die der boulevardesken Übertreibung unverdächtig ist, zu der These, dass Lio­nel Messi stolz auf eine solche Leistung gewesen wäre. Trainer Jürgen Klopp überließ den Beobachtern das Urteil darüber, wo sein Stürmer gerade steht im weltweiten Spieler-Ranking: „Wenn ihr denkt, dass er der Beste ist, dann schreibt es doch einfach“, empfahl Klopp den Journalisten.

Nach den beiden Toren gegen Rom steht Salah bei insgesamt 43 Pflichtspieltreffern in seiner ersten Saison in Liverpool und schlägt damit den Bogen zur goldenen Historie seines Arbeitgebers. Er hat nur noch vier Tore Rückstand auf Ian Rush, der 1983/84 die Bestmarke für einen Liverpool-Spieler in einer Saison aufstellte. Damals gewann der Klub übrigens den Europapokal der Landesmeister.

Auch in dieser Spielzeit steuert der FC Liverpool dem silbernen Pokal mit den Riesenhenkeln entgegen. Die Mannschaft steht nach dem Sieg gegen Rom mit mehr als einem Bein im Endspiel am 26. Mai in Kiew, auch wenn die Ausgangslage nach dem Hinspiel nicht so gut ist, wie sie hätte sein können. So paradox das klingt. Nach knapp 70 Minuten lag Liverpool 5:0 vorne, doch durch zwei Tore kurz vor Schluss – übrigens nach Salahs Auswechslung – hielt Rom zumindest ein kleines bisschen Hoffnung wach vor dem Rückspiel kommende Woche Mittwoch in der italienischen Hauptstadt.

Dass die Mannschaft zu beeindruckenden Auferstehungen imstande ist, hat sie im Viertelfinale gegen den FC Barcelona gezeigt. Nach einer 1:4-Niederlage verbannte sie den Großklub aus Katalonien durch ein 3:0 vor eigenem Publikum aus dem Wettbewerb. „Die Situation ist viel besser, als ich vor dem Spiel erwarten konnte, aber natürlich spüre ich auch die beiden Gegentore“, sagte Liverpools Trainer Klopp über das seltsam flaue Ende einer rauschenden Europapokal-Nacht an der Anfield Road.

Wenn Salah weiter so trifft, wenn Liverpool weiter Tore wie Massenware produziert, müssen sie keinen fürchten

Die Einschläge kurz vor Schluss, unter anderem durch den Ex-Wolfsburger Edin Dzeko, haben verhindert, dass das Halbfinale schon nach den ersten von zweimal 90 Minuten komplett entschieden ist. Trotzdem brachte sich Liverpool mit der Leistung gegen Rom endgültig als ernster Anwärter auf den Champions-League-Titel in dieser Saison in Stellung. Nicht als Topfavorit, dafür hat der Verein dann doch zu wenig Erfahrung in großen Spielen gesammelt in der jüngeren Vergangenheit im Vergleich zu den potenziellen Final-Gegnern Real Madrid und Bayern München. Doch wenn Salah weiter so trifft, wenn überhaupt Liverpools Angriff weiter Tore wie Massenware produziert – warum sollte das Team Angst haben? Und vor wem?

Salah sticht heraus in dieser Saison, wegen seiner beeindruckenden Torbilanz. Doch auch seine beiden Offensivpartner Sadio Mané aus dem Senegal und der Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino, die beim 5:2 gegen Rom die weiteren Treffer anbrachten, tragen entscheidend zu Liverpools Erfolg bei. Die Sturmreihe hat zusammen in dieser Saison im Europapokal schon öfter getroffen (28-mal) als Real Madrid (26-mal) vor der Partie gegen den FC Bayern. Außerdem meldeten mehrere Statistikdienste, dass Liverpool der erste Verein im Zeitalter der Champions League ist, bei dem gleich drei Spieler acht oder mehr Tore innerhalb einer Saison geschossen haben.

Klopp dürfte richtig liegen mit seiner Warnung, dass im Rückspiel eine ganz andere Partie auf sein Team wartet. Denn Rom muss Tore schießen, um noch eine Chance aufs Weiterkommen zu haben. Doch es ist schwer vorstellbar, dass der FC Liverpool mit dieser Wucht in der Offensive den Einzug ins Finale der Champions League noch aus der Hand gibt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen