: Vor Gericht in London
Händler von Privatbanken manipulierten die Zinssätze Euribor und Libor und strichen Millionen Euro an Boni ein. Urteil wird im Sommer erwartet
Im Skandal um die manipulierte Zinssätze Euribor und Libor hat am Montag vor einem Londoner Gericht ein Prozess gegen mehrere Ex-Händler von Großbanken begonnen. Mit Tricksereien konnten sich Banken Millionen an Extragewinnen erschleichen; den Händlern winkten erhebliche Boni-Zahlungen. Mit einem Urteil wird in diesem Sommer gerechnet.
Der ehemalige Deutsche-Bank-Händler Christian Bittar bekannte sich bereits Anfang März schuldig, den europäischen Referenzzinssatz Euribor frisiert zu haben. Der Franzose arbeitete bei der Deutschen Bank in London und Singapur. 2011 trennte sich die Bank von ihm. Bittar sitzt zurzeit in U-Haft. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Bittar erziele allein für das Jahr 2008 sagenhafte 80 Millionen Euro Bonusanspruch. Sein Arbeitsvertrag garantierte ihm einen festen Prozentsatz der von ihm erzielten Spekulationsgewinne.
Die Absprachen der Banker sollen über mehrere Jahre erfolgt sein. Vor Gericht verantworten müssen sich auch Ex-Händler der britischen Großbank Barclays. Die Deutsche Bank einigte sich dafür 2015 mit Behörden in den USA und Großbritannien auf eine Rekordbuße von 2,5 Milliarden US-Dollar.
Die Referenzzinssätze Euribor und Libor geben an, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Sie sind Maßstab für Geschäfte in Billionenhöhe – vom Baukredit bis zu Derivate-Geschäften. Für Geschäfte in Euro ist seit Einführung des Euro der Euribor der Maßstab. Zu dessen Berechnung melden täglich mehr als 30 ausgewählte Banken, welches der höchstgebotene Zinssatz dafür ist, dass eine Bank einer anderen Bank mit guter Bonität einen unbesicherten Euro-Kredit gewährt.
Für die Berechnung des Libor gaben die nach Marktaktivität wichtigsten Banken weltweit an, welche Zinsen sie für Kredite der Konkurrenz zahlen müssen.
Der Betrug war deshalb möglich, weil die beteiligten Mitarbeiter die Zinssätze fast ohne Kontrolle festlegen konnten. Denn statt realer Daten – also Kosten von tatsächlichen Krediten – waren Umfragen Grundlage der Berechnung: Händler schätzten, zu welchem Zins sich ihr Haus von anderen Banken Geld leihen könnte. Wie realistisch diese Angaben waren, war kaum nachprüfbar. (dpa)
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