: Komponieren im Regelkreis
Erst die Partizipation vollendet diese Werke, die Kunst, Technik und Leben zusammenbringen:In der DAM Gallery werden die von der Kybernetik beeinflussten Werke Peter Vogels gezeigt
Von Tilman Baumgärtel
Wenn niemand mit ihnen interagiert, sehen sie aus wie konstruktivistische Skulpturen aus Draht, Kondensatoren, kleinen Platinen und Lautsprechern: filigran, durchaus gestaltet und wohlproportioniert. Die zerbrechlich wirkenden Konstruktionen bieten auf jeden Fall auch etwas für das Auge.
Erst ein Betrachter erweckt die Arbeiten von Peter Vogel zum Leben und zum Klingen. Die meisten seiner Werke haben kleine Fotosensoren, die Strom zum Fließen, Schaltungen zum Schalten, kleine LED-Birnchen zum Leuchten und Töne zum Erklingen bringen, wenn man sich vor ihnen bewegt. Im Grunde sind sie fest verdrahtete Kompositionen, die jeder Betrachter beziehungsweise jede Hörerin auf seine und ihre Weise interpretiert. Zurzeit ist eine repräsentative Auswahl von Werken des im vergangenen Jahr im Alter von 80 Jahren verstorbenen Künstlers in der DAM Gallery zu sehen.
In der Kunstwelt ist Vogel in gewisser Weise ein Außenseiter geblieben. Nach einem Studium der Physik – nicht der bildenden Kunst – arbeitete er in der Schweiz bei Hoffmann-La Roche, wo er sich mit Hirnforschung und der Entwicklung medizinischer Geräte beschäftigte.
Neben der Neurobiologie interessierte er sich für die Kybernetik. Und so kann man seine Arbeiten auch als Regelkreis betrachten, in dem das Publikum die Werke zum Tönen bringt und auch selbst wieder von den entstehenden Klängen – meist Sinus-Tuten und -Pfeifen – beeinflusst wird. Viele seiner größeren Arbeiten sind vertikale Anordnungen von elektronischen Elementen, die man durch Vorbeigehen auslöst oder an denen man mit anderen Besuchern eine eigene Livekomposition entwickeln kann.
Aber es gibt auch eine Trommel, auf der kleine Metallklöppelchen zu klopfen beginnen, wenn man vor ihr herumwischt. Bei der Arbeit „Vibrations“ von 2008 startet der Betrachter einen kleinen Ventilator, der konzentrisch zulaufende Drähte leise zum Schwingen und Sirren bringt. Andere Werke hören zu: Die „Rote Matrix“ (2015) wird durch Schallwellen zum Blinken gebracht.
Vogel hatte zunächst elektronische Musik komponiert, mit Loops und Delay experimentiert und dafür auch eigene elektronische Instrumente gebaut. Ein Schrauber blieb er auch, als er begann, seine Konstruktionen als Wandarbeiten zu gestalten, die das Publikum zum Mitspielen einladen. Mit seinen Installationen trat er auch live auf oder ließ sie von Tänzern und Performern aktivieren. Erst die Partizipation vollendet diese Werke, die Kunst, Technik und Leben zusammenbringen. Das macht sie wesentlich flexibler und lebendiger als viele der Computerinstallationen, die in den 90er Jahren als „interaktive Kunst“ gezeigt wurden.
Bis zum 19. Mai, DAM Gallery, Seydelstr. 30, Mitte
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