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Filme,reif fürs Museum

Die Bremer Gesellschaft für Aktuelle Kunst zeigt zum 25. Mal die Arbeiten, die mit dem Videokunstförderpreis bedacht wurden

Von Radek Krolczyk

Als das Bremer Filmbüro vor 25 Jahren zum ersten Mal den Videokunstförderpreis auslobte, verstand man unter Videokunst wahrscheinlich noch etwas anderes: mehr bewegtes Bild und weniger Installation möglicherweise. Bei der Jubiläumsausstellung, die nun in der Bremer Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK)zu sehen ist, ist das anders. Screens und Leinwände gibt es schon. Daneben gehören aber auch ein Haufen Bürostühle, eine wilde Höhlenkonstruktion aus Holzlatten und Karton und ein Blumenbeet zur Videoschau.

Das Genre und sein Verständnis haben sich seit 1993 stark verändert. Zumal Video im damaligen Kunstbetrieb ein Schattendasein fristete. Den Kunstfilm gab es natürlich längst, denn bereits seit den 30er-Jahren beschäftigten sich Künstler der europäischen Avantgarde wie Hans Richter oder Laszlo Moholy Nagy mit dem damals neuen Medium.

Natürlich Andy Warhol

Andy Warhol drehte in den 60er- und 70er-Jahren noch auf 16 Millimetern, in den 80er-Jahren begann man am Rande der Punkbewegung mit Super-8 und VHS zu experimentieren. Der dem Film zugedachte Ort blieb in all dieser Zeit jedoch der Kinosaal. Im Kunstmuseum angekommen ist der Film eigentlich erst vor fünfzehn Jahren.

So kommt dem Filmbüro, das die Arbeiten seiner Preisträger konsequent an Kunstorten wie der Bremer Kunsthalle und der Weserburg zeigt, eine Vorreiterrolle zu. Nahezu ein Alleinstellungsmerkmal ist die Auszeichnung auch, denn außer in Bremen wird lediglich in Marl noch ein Preis für Videokunst vergeben. Den Bremer Förderpreis haben in der Vergangenheit Künstler erhalten, die heute zu den wichtigsten ihres Genres gehören.

Gleich im ersten Jahr hieß der Preisträger Bjørn Melhus; heute hat er eine Professur an der Kunsthochschule in Kassel. Seine grotesken Arbeiten, in denen er sich oft mit Gewalt in der Unterhaltungsindustrie beschäftigt, waren zuletzt im New Yorker MoMa und der Londoner Tate Modern zu sehen.

Eine Besonderheit des Preises: Prämiert werden keine fertigen Arbeiten, sondern Konzepte. Das Preisgeld soll dabei helfen, die Vorhaben zu realisieren. Das kann tückisch sein: 2009 wurde das Konzept des damals noch jungen und heute sehr bekannten Mario Pfeiffer ausgezeichnet. Gegenstand seiner Arbeit war Michael Hanekes Spielfilm Code Insecunne.

Das Filmbüro hatte von Pfeiffer für die Preisausstellung in der Weserburg einen Film erwartet. Pfeiffer reichte seinen Beitrag allerdings in Schriftform ein – er hatte das Drehbuch bearbeitet und Textbilder in der Größe von Filmplakaten angefertigt. Es kam zum Eklat: Der Preisträger musste schließlich in einer zweiten Jurysitzung bestätigt werden. Man konnte an dieser Geschichte sehen, dass die Initiatoren des Preises mehr vom Film, denn von der Kunst her dachten.

Zurück zur Jubiläumsausstellung: Gemeinsam ist den diesjährigen Preisträgern eine subversive Haltung. Am deutlichsten ist da „40h, max. 2 Monate“ von Stefanie Schröder. Der Titel ist genauso nüchtern wie der Aufbau: zwei Flachbildschirme, nicht das neuste Modell, davor Bürostühle für das Publikum.

Das Jobcenter Leipzig hatte der Künstlerin eine Maßnahme zur Unternehmensoptimierung auferlegt. Geprüft werden sollte, ob es sich lohne, die Tätigkeit fortzuführen? Wie aber beantwortet man diese Frage, wenn es sich nicht um einen Nailartshop handelt, sondern um Kunst?

Um diese Frage zu beantworten wählte Stefanie Schröder, nach dem man ihr verbot die Workshops selber zu filmen, Umwege. Briefe und Handouts der Unternehmensberatung werden verlesen, die Szenen selber werden mit Laienschauspielern nachgestellt.

Die Szenen sind grotesk: Wenn die Kursleiterin die Teilnehmenden fragt, ob sich in der Kindheit Gründe für den heutigen Hartz-IV-Bezug finden lassen, wird die Frage als Therapieangebot missverstanden. Für Schröder liegt das Missverständnis dort, wo die Persönlichkeit und nicht das System selber für das Scheitern verantwortlich gemacht wird.

Ein unmögliches Original

Zwei Versionen des Örtchens Hallstatt begegnet man in Julia Weißenbergs Arbeit: einmal als Unesco-Weltkulturerbe in Oberösterreich, einmal als touristischer Nachbau in China. Weißenberg filmte beide Orte und montierte sie zu einem. Sonnenschein, pittoreske Gassen, Touristen, Holzhäuser mit Geranien und Palmen – ruhige Einstellungen in satten Farben. Es ist beinahe ein Imagefilm, gilt das österreichische Hallstatt doch als meistfotografierter Ort der Alpenrepublik.

Will man aber herausfinden, welches das Original und welches ‚nur‘ die Kopie ist, ist man verloren. Im österreichischen Hallstatt hat man sich auf asiatische Touristen eingestellt und Beschriftungen in chinesischer Schrift angebracht. Und überhaupt – wie sollte ein authentischer Alltag in einem Ort aussehen, der heute ausschließlich für Tourismus existiert?

Total unübersichtlich ist der Aufbau der internationalen Künstlergruppe Random Collective. Die Arbeiten der Gruppe entstehen erst vor Ort. Noch kurz vor der Eröffnung war der Bereich voller Baumaterialien.

In einer abgedunkelten Höhle hängen Monitore in einer Art Baum. Auf Pfählen wurden Tiermasken platziert. Auf einem Bildschirm taucht eine Person mit einer Schweinsmaske auf und tunkt eine Kette aus Nüssen und Trockenfrüchten in eine rote Flüssigkeit. Das ganze Ambiente wirkt wie ein Guerillacamp.

Tatsächlich positionieren sich die Aktivisten der Gruppe als Kollektiv und weitestgehend anonym, mit ihrer prozessualen und offenen Arbeitsweise gegen vieles, was die kapitalistische Gesellschaft ihren Mitgliedern abverlangt. Nach eigener Aussage thematisieren sie allein durch ihr Vorgehen das Verhältnis von Mensch und Maschine, die Zukunft der Arbeit und den Umgang mit Daten – aktuelle Themen im archaischen Verweigerungslook.

Bis zum 13. Mai in der GAK Bremen

Der Autor ist Betreiber der Galerie K‘, Bremen.

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