: Bizarres Ende in britischem Asyl
Der russische Geschäftsmann Nikolai Gluschkow wurde tot in London aufgefunden. Er war eng mit dem Oligarchen Boris Beresowski verbandelt. Dessen vermeintlichen Selbstmord zweifelte er bis zuletzt an
Aus Moskau Klaus-Helge Donath
Bevor gestern um Mitternacht das britische Ultimatum an Russland ablief, sich gegenüber der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) zum Fall des vergifteten Doppelagenten Sergei Skripal zu erklären, tauchte im Süden Londons noch eine Leiche russischer Herkunft auf. Diesmal handelt es sich um Nikolai Gluschkow, der 2010 nach England übergesiedelt war. Seine Tochter fand ihn mit Strangulierungsspuren am Hals im eigenen Haus.
Auch dieser Fall wird von den britischen Antiterroreinheiten Scotland Yards nun untersucht. Eine Verbindung zu dem Giftgasanschlag auf Skripal und seine Tochter konnten die Ermittler bislang noch nicht feststellen.
Nikolai Gluschkow war ein Geschäftsmann, der seit den 1980er Jahren mit dem Oligarchen Boris Beresowski zusammenarbeitete. Beresowski war die graue Eminenz der 90er Jahre in Russland. Anfang der 2000er musste er das Land jedoch fluchtartig verlassen. Er hatte sich mit dem neuen Präsidenten Wladimir Putin überworfen.
2013 kam Beresowskij in der Nähe Londons auf mysteriöse Weise ums Leben. Gluschkow nannte den russischen Strippenzieher der 90er Jahre „seinen einzigen Freund“. Dass dieser Selbstmord verübt haben könnte, hielt Gluschkow für ausgeschlossen. Zwar möge Beresowski unter Depressionen gelitten haben, ein Selbstmord passe aber nicht zum starken Charakter des geflüchteten Oligarchen, sagte Gluschkow dazu.
Er und Beresowski waren Mathematiker. Ab 1989 arbeitete Gluschkow als stellvertretender Direktor der Firma „Logovas“, die Beresowski gehörte. Sie war der Grundstock eines Millionenvermögens. 1996 machte Beresowski Gluschkow zum stellvertretenden Direktor bei Aeroflot, dessen Mehrheitsaktionär der Oligarch geworden war.
1999 ermittelte die russische Generalstaatanwaltschaft erstmals wegen ungesetzlicher unternehmerischer Tätigkeit gegen beide, später folgte dann eine Anklage wegen Geldwäsche und organisierten Betrugs. Gluschkow erhielt zwei mehrjährige Gefängnisstrafen, bevor er 2010 nach England ausreisen konnte, wo ihm auch politisches Asyl gewährt wurde.
2017 verurteilte ein Moskauer Gericht Gluschkow in Abwesenheit noch einmal zu acht Jahren Haft wegen Unterschlagung von 123 Millionen Rubel im Fall Aeroflot. Der Beklagte soll dem Prozess aber keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt und ein zurückgezogenes Leben geführt haben – mit Hundeausführen und Geschenken für die Nachbarskinder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen