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Ablenkung aufhögschtem Niveau

Beim 1:1 gegen Spanien zeigt sich Jogi Löws Auswahl in WM-Form. Der Deutsche Fußball-Bund kann sich gleich doppelt freuen: Jetzt wird wieder über Fußball in Reinkultur geredet und nicht mehr über korrupte Funktionäre und Langeweile in der Fußball-Bundesliga

Aus Düsseldorf Andreas Rüttenauer

Der Auftakt ins WM-Jahr hätte nicht viel besser laufen können für den Deutschen Fußball-Bund. Die Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw hat zwar nicht gewonnen gegen spielfreudige Spanier, aber sie hat bei diesem 1:1 am Freitag in Düsseldorf ein derart ansehnliches Spiel hingelegt, dass vor allem eines erreicht war nach der Partie: Es wurde über Fußball gesprochen. Gerade die abgelaufene Woche hat noch einmal gezeigt, dass dies wahrlich nicht selbstverständlich ist. Darüber, wie in der Bundesliga gespielt wird, mag schon länger keiner mehr reden.

Auch der Bundestrainer erweckte in der Woche vor den ersten Länderspielen im Jahr der Weltmeisterschaft in Russland (14. Juni bis 15. Juli) nicht gerade den Eindruck, er schaue sich gerne an, was da in der Bundesliga geboten wird. Das ewige Arbeiten gegen den Ball, das brave Verschieben in der Defensive, habe dazu geführt, dass viel zu wenige Mannschaften darüber nachdenken, wie eine kreative Lösung in der Offensive aussehen könnte.

Auch deshalb war er so glücklich nach dem Test gegen Spanien. Er hatte ein Spiel gesehen, in dem beide Teams versucht haben, auf originelle Art vor das gegnerische Tor zu kommen. Er war sich sicher, dass das auch am Dienstag gegen Brasilien wieder „sehr, sehr gut“ wird, wenn Thomas Müller, Mesut Özil und Jonas Hector durch Leroy Sané, İlkay Gündoğan und Marvin Plattenhardt ersetzt werden.

Gesehen hat der Bundestrainer auch, dass es gegen die besten Mannschaften bei der anstehenden Weltmeisterschaft, zu denen Spanien gewiss zu zählen ist, darauf ankommen wird, möglichst riskant und möglichst früh zu pressen. Was die Spanier am Freitag gemacht haben, mit bis zu fünf Spielern zehn Meter von der gegnerischen Torauslinie mit dem Pressing zu beginnen, erwartet er so ähnlich auch von den Teams aus Argentinien und Frankreich. Und von seinem Team natürlich. Auch das hat er am Freitag hoch verteidigen lassen, obwohl er das so richtig noch nicht trainiert hatte mit der Mannschaft, wie er nach dem Spiel am Freitag sagte.

Gemeinnützig oder nicht?

Test gegen Brasilien

Ohne den laut Nationaltrainer Tite „Unersetzlichen“, also ohne Neymar, tritt die brasilianische Seleção am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) in Berlin gegen Deutschland an. Der Angreifer von Paris St. Germain laboriert an einem Fußbruch. Zuletzt haben die Südamerikaner, die im Halbfinale der WM 2014 mit 7:1 von den Deutschen gedemütigt worden waren, Mexiko mit 3:0 geschlagen. „Jetzt geht es darum, das 1:7 zu vergessen und in Berlin mit Würde aufzutreten. Wir müssen mental stark sein und haben gar keine andere Wahl, als am Dienstag unseren besten Fußball zu spielen“, sagte der Coach vor der Partie.

Löw weiß also, was er zu tun hat bis zum Auftaktspiel der Deutschen gegen Mexiko Mitte Juni in Moskau. Es sieht ganz so aus, als könnten die deutschen Titelverteidiger wieder eine ganz ordentliche Truppe zur WM schicken. Der Liga-Fußball mag in der Krise sein, der Nationalmannschaftsfußball ist es gewiss nicht. Der Streit darüber, wo die Avantgarde des nationalen Fußballs sitzt, in den Trainingszentren der Klubs oder im Stab der Nationalmannschaft, hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder befruchtend auf den Fußball im Land ausgewirkt. Mal sehen, wie das diesmal wird.

Im DFB jedenfalls wird man sich freuen, wenn über den Sport geredet wird und nicht darüber, wie es im Verband so zugeht. Der tut sich zunehmend schwer, die Geschäfte, die er mit der Nationalmannschaft macht, noch zusammen zu denken mit dem Vereinsfußball, der in den Zigtausenden von Fußballklubs im Land gespielt wird. In einer Woche, in der viel über das neue Design des Auswärtstrikots der „Die Mannschaft“ gesprochen wurde und über die neue Kampagne von Noch-Hauptsponsor Mercedes, wird sich niemand gewundert haben, dass die Gemeinnützigkeit des Verbands immer lauter in Zweifel gezogen wird. Steuernachzahlungen in Höhe von 50 Millionen Euro stehen im Raum. Außerdem sollen die Finanzbehörden den Spielbetrieb der Nationalmannschaft als „kommerziell“ eingestuft haben, was ja nun wirklich niemanden wundern dürfte.

Wegen der falschen Angaben zu Millionenzahlungen, die via Franz Beckenbauer an die Firma eines korrupten Exfunktionärs aus Katar geflossen sind, ist dem Verband für ein Jahr schon einmal die Gemeinnützigkeit entzogen werden. Eine Datei mit dem irren Namen „Agenda der schwarzen WM-Kasse“, die man auf einem Computer des einstigen DFB-Managers Horst R. Schmidt gefunden hat, soll ja nun, wie die Recherchen des Spiegelnahelegen, den Beweis liefern, dass Stimmen für die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland gekauft worden sind. Eine Steuernachzahlung für das betreffende Jahr in Höhe von knapp 20 Millionen Euro ist eh schon fällig. Jetzt könnte noch mehr Unbill dieser Art auf den Verband zukommen.

An Gemeinnützigkeit wird niemand denken, der gesehen hat, wie gut die Eventmaschine rund um die Nationalmannschaft am Freitag in Düsseldorf wieder einmal gelaufen ist. Das neue Auswärtstrikot spannte schon über die Bäuche etlicher Fans, dabei war es doch erst seit ein paar Tagen im Handel. Und statt sich zu fragen, was das Motto „Best never rest“ eigentlich bedeutet, mit dem Mercedes die Nationalmannschaft zur WM schickt, stellten sich die Fans an, um sich neben einem weißen Auto, das vor einer Plakatwand mit Nationalspielern im Stadion hingestellt worden war, fotografieren zu lassen.

Gesehen hat der Bundestrainer auch, dass es bei der anstehenden WM darauf ankommen wird, möglichst riskant und früh zu pressen

Das jedenfalls fanden etliche Besucher des mit über 50.000 Zuschauern ausverkauften Stadions interessanter, als die Ehrung für Nina Hirsch vom SV 67 Weinberg in Bayern und Hanno Makel vom hessischen TuS Löhnberg, die vorm Anpfiff für ihr ehrenamtliches Engagement als „Amateure des Jahres“ ausgezeichnet wurden. Auch wenn sich die beiden Glücklichen mit Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff ablichten lassen durften, so war doch zu spüren, dass sie und ihre Klubs weit weg sind vom Business des Länderspielbetriebs.

Darüber wäre gewiss mehr gesprochen worden, wenn nicht das Länderspiel in Düsseldorf anschließend so hervorragend und unterhaltsam gewesen wäre. Spaniens Nationaltrainer Julen Lopetegui sprach hinterher von einer „guten Show“.

Recht hat er gehabt.

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