Cannabis-Unternehmer über Anbausperre: „Haben ein weiteres Jahr verloren“
Patienten müssen wegen eines Fehlers bei der Ausschreibung auf deutsches Cannabis warten. Hendrik Knopp erklärt, was das für die Branche bedeutet.
taz: Herr Knopp, Ihr Unternehmen Nuuvera hatte sich um eine Anbauerlaubnis von medizinischem Cannabis in Deutschland beworben. Nun hat das Oberlandesgericht Düsseldorf das Ausschreibungsverfahren wegen Formfehlern gekippt. Wie stehen Sie zu dem Urteil?
Hendrik Knopp: Einerseits ist es eine Enttäuschung. Aber wir akzeptieren das Urteil natürlich. Es bedeutet für uns, dass wir zunächst kein eigenes medizinisches Cannabis in Deutschland anbauen dürfen. Daher konzentrieren wir uns nun auf den Vertrieb der Importe von unserem kanadischen Mutterunternehmen. Wir werden uns höchstwahrscheinlich bei der neuen Ausschreibung wieder bewerben, wenn wir die Anforderungen kennen.
Wieviel Geld kostet es Sie, dass die Bewerbung nun erst einmal umsonst war?
Ein genaue Zahl haben wir noch nicht ausgerechnet. Aber es ist ein recht hoher Betrag, wenn man bedenkt, dass ein Team ein Jahr lang Vollzeit daran gearbeitet hat. Wir haben viel Zeit, Geld und Know-how investiert.
Welche Chancen haben Sie gesehen, den Zuschlag zu erhalten?
Wir waren in der Endrunde unter den letzten zehn Firmen von ursprünglich 118 Bewerbern. Daher haben wir unsere Chance als sehr groß eingeschätzt und waren enttäuscht, dass das Verfahren letztendlich an formellen Fehlern gescheitert ist. Wie viele Unternehmen einen Zuschlag erhalten hätten, hing von der Entscheidung des Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte ab. Das hätte den Zuschlag an mindestens zwei oder auch mehrere Firmen erteilen können. Bei einer neuen Ausschreibung ist wieder alles offen und wahrscheinlich können sich alle Firmen erneut bewerben. Wir werden uns daher wahrscheinlich ein weiteres Jahr mit den Anforderungen der Ausschreibung beschäftigen dürfen.
Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die deutsche Cannabisproduktion?
Wir haben ein weiteres Jahr verloren und können nach heutigem Kenntnisstand nicht vor 2020 mit einer Ernte in Deutschland rechnen.
ist Geschäftsführer der Nuuvera Deutschland GmbH, einem Hamburger Unternehmen für den Import, Vertrieb und Anbau von medizinischem Cannabis. Knopp stammt aus Hamburg und ist 46 Jahre alt. Vor seiner Zeit bei Nuuvera war er Anwalt für Regulierung, Medien-und Wirtschaftsrecht. Zudem war er als Unternehmer und Gründungsgesellschafter von Start-ups aus den Branchen Gaming & Entertainment, autonomes Fahren und IT tätig.
Was bedeutet das Urteil für die deutschen Patienten?
Die Patienten sind die eigentlichen Verlierer. Wenn ein Patient mit einer Cannabis-Therapie beginnt, muss sichergestellt werden, dass er sie mit der verschriebenen Sorte auch beenden kann. Die jeweils verschriebene Sorte sollte in dem Therapie-Zeitraum komplett verfügbar sein. Es ging bei der Ausschreibung auch um die Versorgungssicherheit der Patienten. Das ursprüngliche Ziel, 2019 medizinisches Cannabis aus Deutschland zu bekommen, kann jetzt nicht mehr gehalten werden.
Wie groß ist der Bedarf von medizinischem Cannabis in Deutschland?
Ich halte ihn für deutlich höher als die Menge, die ausgeschrieben war. Dort ging es um 6,6 Tonnen in einem Lieferzeitraum von 4 Jahren für geschätzte 5.000 Patienten. Wir haben aber laut Meldungen der Krankenkassen bereits über 15.000 Patienten, die medizinisches Cannabis für therapeutische Zwecke benötigen. Es kann daher sein, dass das Bundesamt in der neuen Ausschreibung die Anbaumenge erhöht und dadurch den Markt erweitert, sodass mehrere Firmen eine Chance zum Anbau in Deutschland bekommen. Denn der Bedarf wird steigen: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir in ein bis zwei Jahren schon bis zu 100.000 Patienten haben werden, die medizinisches Cannabis als Therapieform einsetzen.
Das hängt aber auch davon ab, wie gut es die Branche schafft, die Ärzte und Patienten zu überzeugen, dass medizinisches Cannabis eine wirksame Therapieform ist. Das Informationsangebot und die aktuelle Studienlage zur Wirksamkeit von medizinischem Cannabis ist leider noch ungenügend. Wir haben hier ein starkes Informationsdefizit und deswegen suchen wir aktiv auch den Dialog mit der Presse, um Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren.
Auf der deutschen Webseite von Nuuvera sind allerdings wenig Informationen. Das Wort Cannabis ist dort nicht ein einziges Mal zu finden.
Das ist richtig. Bisher fokussierten wir uns in Deutschland auf die Ausschreibung des Bundesamt und den Aufbau der Importstruktur. Die aktuelle Internetseite ist sicherlich nicht unser Aushängeschild für Informationsmarketing. Wir planen daher in den nächsten Monaten ein umfassendes Angebot mit Videos und Berichten.
Wie ist Nuuvera aufgebaut?
Nuuvera ist eine hundertprozentige Tochter des Unternehmens Aphria, einer der größten Produzenten von medizinischem Cannabis in Kanada. Aphria will bis zum Sommer seine Anbau-Kapazitäten auf 300 Kilogramm pro Tag steigern und kann dann in nur 20 Tagen so viel produzieren, wie in Deutschland aktuell für vier Jahre ausgeschrieben war.
Vertreibt Nuuvera bereits Cannabis in Deutschland?
Nein, noch ist Nuuvera dabei, den Import zu beantragen. Allerdings wollen wir zunächst genügend Lagerkapazitäten aufbauen, damit es nicht zu Versorgungslücken kommt. Ab dem kommenden Sommer wollen wir importiertes Cannabis als Blüten und als Öl vertreiben.
Was für Pläne hat Nuuvera für die deutsche Cannabisproduktion?
Es ist unser Ziel, selbst in Deutschland anbauen zu dürfen. Wir können Erfahrung aus Kanada einbringen und wollen verstärkt im Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten, auch zusammen mit deutschen Universitäten.
Was passiert, wenn Nuuvera bei der Ausschreibung keinen Zuschlag erhält?
Wir gehen davon aus, dass der Importmarkt langfristig neben dem Anbau in Deutschland existieren wird. In der Ausschreibung waren zudem nur drei verschiedene Cannabis-Sorten ausgeschrieben. Im medizinischen Markt in Kanada gibt es über 100 Sorten und viele Patienten benötigen unterschiedliche Sorten. Wir gehen davon aus, dass wir eine starke Marktposition in Deutschland haben werden, egal, ob wir bei einer zukünftigen Ausschreibung gewinnen oder nicht.
Da es bis jetzt nur drei Sorten waren, kann es folglich noch es zu weiteren Ausschreibungen kommen?
In der Tat. Wir denken, dass noch weitere folgen werden. Da sind wir positiv eingestellt, dass wir zum Zuge kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!