talk of the town: Übertrieben unpolitisch
Winfried Stöcker, Besitzer des Kaufhauses Görlitz, stiftet einen Modepreis. Zwei Designerinnen möchten den lieber nicht gewinnen
Von Torben Becker
Auch auf Preisverleihungen werden politische Deutungshoheiten ausgefochten – man denke an die Oscars. In diesen Ring stiegen jetzt auch Lisa Mann und Hagar Rieger. Die beiden Modedesignerinnen waren mit ihren Masterabschlussprojekten im Studiengang Modedesign an der Universität der Künste (UdK) Berlin für die Finalrunde des European Fashion Awards nominiert. Dessen Preise sind mit bis zu 25.000 Euro dotiert. Trotz aussichtsreicher Chancen zogen die beiden nach eigenen Angaben ihre Teilnahme aus moralischen Beweggründen zurück.
Grund dafür sind chauvinistische Aussagen des Preisstifters Winfried Stöcker, der zugleich Inhaber des Kaufhauses Görlitz ist, in dem die Preisverleihung im April stattfinden wird. So äußerte sich Stöcker auf seinem persönlichen Blog zum Jahresende 2017 etwa abfällig über Betroffene sexueller Gewalt in der Filmbranche: „Mädchen könnten zurückhaltender und weniger provozierend gekleidet zum Casting gehen, dass die armen Regisseure auf dem Pfad der Tugend bleiben.“
Zwischen kulinarischen Rezepten und medizintechnischen Fachartikeln finden sich auf dem Blog weitere Beiträge die sich wie rechtspopulistische Kommentare lesen – stets mit einem starken „Wir“ und einem verachtenden „Die“. So bestünde beispielsweise die Gefahr bei einer „sprunghaften dauerhaften Integration zu vieler Flüchtlinge und Asylanten“ im „internationalen Vergleich zurückzufallen“. Dies würde bedeuten, dass sich „unser Lebensstil und Lebensstandard“ zwangsläufig dem „der Länder annähern, aus denen die vielen Migranten kommen“. Auch abseits seines Blogs fiel Stöcker in Interviews oder während der ersten Eröffnungsrede des Modewettbewerbs 2016 durch chauvinistische Äußerungen auf, wie der Tagesspiegel damals berichtete.
Was derlei Äußerungen mit der Preisverleihung zu tun haben, ist für Jürgen Friedel, Projektleiter des Kaufhauses Görlitz, nicht ersichtlich. „Wir möchten den Award frei von politischen Debatten halten. Es ist ein Modewettbewerb, der junge Talente unterstützt“, so Friedel. Auf die umstrittenen Äußerungen Stöckers angesprochen, beruft er sich auf das Recht der Meinungsfreiheit. „Die kann jeder nach seinem eigenen politischen Wissen bewerten, auch wenn ich es etwas übertrieben finde, deswegen von der Teilnahme zurückzutreten. Das ist jedermanns Sache.“
Übertrieben? Lisa Mann und Hagar Rieger stellen in ihrer Stellungnahme klar, dass es sich bei dem Preis nicht nur um eine rein karitative Veranstaltung, sondern auch um die Bewerbung von Stöckers Kaufhaus geht. So würde eine direkte Verbindung zwischen ihren Abschlussarbeiten und Winfried Stöcker hergestellt werden. Diese politischen Zusammenhänge der Preisverleihung benennen die beiden Modedesignerinnen: „Stöckers Sicht auf die Welt stimmt in keiner Weise mit der unseren überein. Seine Aussagen haben uns dazu bewogen zurückzutreten“, sagte Lisa Mann.
Mit ihrer Entscheidung beweisen die beiden Modedesignerinnen Haltung. Auch wenn sie mit weiteren Studierenden eine Diskussion über die Sensibilität für die Hintergründe solcher Preise anstoßen möchten, betonen die, dass ihre Entscheidung nicht zum moralischen Maßstab für andere werden soll. Aufsehen erregen sie dennoch. Sogar die UdK Berlin unterstützt die beiden und bietet ihnen Rückhalt und Rat in der Bearbeitung von Presseanfragen.
Das Private ist eben politisch. Es kann also auch auf den Bühnen von Preisverleihungen politisch gekämpft werden. Umso schöner, dass jungen Modedesignerinnen sich nicht von Geld und Einfluss blenden lassen.
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