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Allahs Tal bleibt fruchtbar

Der Islamismus rekrutiert hier seit Langem seine Kämpfer. Wer aus dem Ferghanatal auszieht, geht oft in den Dschihad. Woher der Fanatismus? Einfach Tradition? Gibt es soziale Gründe? Auch in der kirgisischen Stadt Aravan ist der Islam im Aufwind

In der Koranschule

Aus Aravan Sebastian Gluschak (Text) und Danil Usmanov (Fotos)

Gegen Mitternacht wird es zum ersten Mal still im flackernd beleuchteten Hof in Aravan, einer kleinen Stadt im Süden Kirgistans. Hinter der Hofmauer ragt die Silhouette einer Gebirgskette auf, keine fünf Kilometer entfernt, dahinter liegt Usbekistan. An einem Metalltisch sitzen fünf Dorfbewohner, sie erzählen Anek­doten, dabei teilen sie sich Bier aus einer großen Plastikflasche.

Immer wieder wird laut gelacht, aber jeder weiß, dass der Reporter und der Fotograf, die auch mit am Tisch sitzen, wegen eines ernsten Themas da sind. Plötzlich fragt ein ehemaliger Grenzsoldat auf Kirgisisch in die Runde: „Soll ich die beiden zu den IS-Kämpfern bringen?“ Die Gruppe verstummt. Alle schauen auf Almazbek Abdulin, unseren Übersetzer und Gastgeber. Sekunden verstreichen. Abdulin versucht, das Lächeln auf den Lippen zu halten. Dann sagt er, dass ein Treffen mit ehemaligen IS-Kämpfern zu gefährlich sei. Und er sagt nachdrücklich in unsere Richtung: „Es ist besser, wenn ihr Aravan morgen verlasst. Es gibt auch andere Orte hier in der Gegend.“

Andere Orte gibt es, ein anderes Aravan aber nicht. Viele sollen hier in den vergangenen Jahren ausgewandert sein – in das Gebiet, über das der sogenannte Islamische Staat bis Ende 2017 in Syrien und im Irak herrschte. Geschäfte, die Alkohol verkaufen, werden in Aravan mittlerweile geächtet und gehen manchmal sogar in Flammen auf. Und islamische Untergrundorganisationen verbreiten ihre Utopie von einem Kalifat in Kirgistan.

Die Attentäter von Boston, Istanbul, Stockholm, Sankt Petersburg und New York – alle sollen ihre Wurzeln im Fer­ghanatal haben, in dem auch Aravan liegt. Das Ferghanatal ist eine dicht besiedelte Senke, die sich über Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan erstreckt. Eine Google-Suche nach dem Tal könnte Reiseberichte vom Pamir-Highway durch wundervolle Gebirgszüge liefern, Basarfotos mit Seidenstraßenflair oder Porträts von sympathischen Filzhutträgern.

Meistens aber ist im Netz vom „Hort des Islamismus“ die Rede. Es klingt, als werde hier methodisch Hass ausgebrütet. Doch stimmt das? Glaubt man lokalen Polizeistatistiken, sind etwa 1.000 Kirgisen den Rufen des Islamischen Staats gefolgt.

Kirgistan, das umgeben ist von zen­tralasiatischen Autokratien, hat eine relativ gut funktionierende Zivilgesellschaft. Im November 2017 gab es einen friedlichen und demokratischen Machtübergang. Die Wahl soll nach Einschätzung europäischer Experten demokratischen Standards entsprechend abgelaufen sein. Es wird erwartet, dass der Sozialdemokrat Sooronbai Dscheenbekow als Präsident den vorigen Kurs weiterführt, was hieße: eine Politik der kleinen Schritte in Sachen Modernisierung sowie gute Beziehungen zu den direkten Nachbarn, vor allem zu Russland.

Woher also kommt der Hass, warum haben sich hier so viele radikalisiert? Almazbek Abdulin will uns zu denen führen, die gegen den Hass kämpfen.

Wir treffen ihn an der Karl-Marx-Straße, die auf einen Platz mit Stalindenkmal mündet. In einem Trikot von Galatasaray Istanbul und Jeans schlendert Abdulin, 28 Jahre alt, gemächlich über die staubigen Straßen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.

Bei einem Teller Samsa – Teigtaschen, gefüllt mit Fleisch und Zwiebeln – erzählt Abdulin: „Das Leben hier hat sich sehr verändert. Heute wird man schief angeguckt, wenn man als Mann im Sommer kurze Hosen trägt. Auch das Biertrinken ist verpönt. Wenn wir Alkohol kaufen, darf es nicht auffallen.“ Das sei vor ein paar Jahren nicht so gewesen. „Bevor sich alle berufen fühlten, islamisch zu leben.“

„Wahrscheinlich kennt niemand die Gründe für die Radikalisierung so gut wie ich“

Shoruk Babayev, Präventionsexperte

Das sei schon eine Umstellung, sagt Abdulin. Er habe Respekt vor der Religion, auch wenn er selbst nicht strenggläubig sei. Er führt uns quer durch die Stadt, über eine klapprige Hängebrücke, bis wir bei einem improvisiert aussehenden Bürohäuschen ankommen. Am Schreibtisch sitzt ein stattlicher Mann, der sagt: „Es gibt wahrscheinlich niemanden, der die Gründe für die islamische Radikalisierung in Kirgistan so gut kennt wie ich.“ Shoruk Babayev heißt eigentlich anders, nach dem Gespräch bittet er darum, seinen Namen zu ändern. Zu gut kenne er die ein oder andere Gruppe, die ihm so ein Interview sehr übel nehmen würde. Er schenkt seinen Besuchern Cola ein und spricht mit rauer Stimme. Seine Ausführungen beendet er gern mit den Worten: „Das ist das Problem.“ Pro­bleme sind Babayevs Job.

Im Auftrag einer Jugendorganisation klärt er in Schulen über Radikalisierung auf. Er bemüht sich zusammen mit Lehrern und Vertretern aus den Moscheen um Prävention. „Das größte Problem hier in Kirgistan ist die mangelnde Grundlage an religiöser Bildung“, sagt er.

Die Eltern der Jugendlichen seien zu Sowjetzeiten aufgewachsen, Religion stand da auf keinem Lehrplan, und Moscheen gab es nur sehr wenige. Auch heute fördert der säkulare Staat Religion als Schulfach nur sehr begrenzt – deshalb bietet Babayev den Schülern Nachhilfe an. „Zwar sind in diesem Land rund 80 Prozent Muslime, aber kaum einer weiß, was wirklich im Koran steht. Das macht es jenen Gruppen leicht, die junge Leute manipulieren wollen und sich dabei auf den Koran berufen.“

Den Namen der Gruppe, um die es geht, spricht Babayev ungern aus: Hizb ut-Tahrir. 1953 gründete ein Palästinenser die Organisation. Das Ziel: ein weltweites Kalifat auf Grundlage der Scharia. Rund 40.000 Mitglieder soll Hizb ut-Tahrir allein in Zentral­asien haben. Die Angaben dazu schwanken stark, auch weil die Gruppe so verdeckt arbeitet. Hizb ut-Tahrir ist in den meisten Ländern verboten, auch in vielen arabischen und ebenfalls in Kirgistan. Zwar verzichtet die Gruppe offiziell auf Gewalt, aber Beobachter sehen in ihr die Rekrutierungsstelle für militante Gruppen wie den IS oder die Islamische Bewegung Usbekistan, eine Organisation, die sich 2015 zu einem Ableger des IS erklärte.

„In Aravan haben sie die Gesellschaft unterwandert“, sagt Babayev. „In den Chaihannas, unseren Teestuben, propagierten die Islamisten bis vor Kurzem ganz öffentlich den Dschihad. Das war das Thema Nummer eins hier. Bis ausnahmsweise der Staat zugriff und zwanzig Leute verhaftete.“ Seither seien die Islamisten ungeheuer vorsichtig. Mit ihnen reden? Momentan unmöglich.

Auf dem Briefkopf eines Antragsformulars, das auf Babayevs Schreibtisch herumliegt, ist ein Weißkopf­adler zu erkennen, darunter steht „US Embassy“. Dass die amerikanische Botschaft sein Projekt unterstützt, schadet der Glaubwürdigkeit. Es wirkt bei vielen Kirgisen wie Einmischung von außen.

Ein paar Tage später besuchen wir die Moschee von Kara-Suu, einem benachbarten Dorf. Sie liegt etwas versteckt hinter unzähligen Schiffscontainern, in denen Läden eingerichtet sind. Der Geruch von Kardamom, Motoröl und frischen Früchten liegt in der Luft. Ein kleiner Mann in Sporthose und mit einer grauen Gebetsmütze auf dem Kopf bietet an, uns in der Moschee herumzuführen.

„Ich bin Muhammet Ali – halb Türke, halb Tatar. Kommt herein!“, sagt er, mit einem etwas gezwungen wirkenden Lächeln. Während die ersten Männer zum Freitagsgebet eintreffen, zeigt uns Muhammet Ali die Räumlichkeiten: die Gebetsnische, die Madrassa, wo der Koranunterricht stattfindet, den neuen Waschraum.

Alkohol? Nur hinter geschlossenen Türen

Stolz wirkt er, als er auf die anliegende Baustelle blickt: Die Moschee wird vergrößert, zweistöckig, und soll dann mehr als doppelt so vielen Gläubigen Platz bieten. Ein gigantisches Poster über das Bauvorhaben verrät die Bauherren: die Worldwide Assembly of Muslim Youth, ansässig in Saudi-Arabien.

Während wir uns umsehen, zieht ein drahtiger Mann im Anzug den Fotografen aggressiv beiseite. „Was macht ihr hier?“, fragt er barsch. Und warnt vor dem jüdischen Imperialismus. Israel sei überall, man müsse es mit allen Mitteln bekämpfen.

Anfang 2015 wurde ein Hassprediger aus diesem Dorf von einem kirgisischen Gericht verurteilt, weil er IS-Kämpfer rekrutiert haben soll. Den IS in seiner damaligen Form gibt es heute nicht mehr, der Imam ist weg. Aber der Hass scheint noch nicht verschwunden zu sein.

„Jemanden wirklich zu radikalisieren und dazu anzustiften, weitere Menschen zu bekehren oder gar gewalttätig zu werden, dauert zwei bis drei Jahre“ sagt Shorukh Babayev, der Präventionsarbeiter. Der typische Verlauf: Bereits fromme Muslime werden in Moscheen und Teestuben gezielt angesprochen. „Es ist fast wie ein psychologisches Screening. Sie wissen genau, wer anfällig ist und wer ihnen von Nutzen sein kann.“

Erst reden sie, ganz harmlos, über Religion. Wenn das Vertrauen da ist, probieren sie radikalere Gedanken aus. Der letzte Schritt des Rekrutierens ist die Onlinekommunikation, über WhatsApp vor allem. Extreme Bilder und Videos seien dann ein Katalysator für die endgültige Radikalisierung, erzählt Babayev. Die Feindbilder sind immer dieselben: der eigene Staat, der amerikanische Imperialismus, Israel, alles haram.

Babayev widerspricht der Vorstellung, dass hauptsächlich arme und perspektivlose Kirgisen radikalisiert würden. „Die Motive sind ganz unterschiedlich. Ich weiß von einem Geschäftsmann mit zwei Frauen und zwei Häusern, der sein Unternehmen an seinen Bruder vermacht hat und allein aus Überzeugung nach Syrien zog.“

Wenn Babayev sein Deradikalisierungsprogramm erklärt, fällt auf: Es folgt exakt dem Schema der Extremisten. Kennenlernen, Vertrauen gewinnen, per WhatsApp kommunizieren – nur umgedreht, positiv eben. Countermessaging nennen das die Experten, auch das dauert ein bis zwei Jahre. Jeder Kirgise, der an der Schwelle zum Extremismus steht, soll einzeln zurückgewonnen werden – kann das funktionieren?

„Die Zuwendung zum Islam ist Teil unserer postsowjetischen Identitätsfindung“

Alisher Khamidov, Extremismusexperte

Am Budget soll es zumindest nicht fehlen. Nicht nur in Babayevs Programm fließt Geld aus dem Ausland. Die alarmierende Zahl kirgisischer IS-Kämpfer ist für die USA, die Vereinten Nationen und die EU Grund genug, seit 2016 den Kampf gegen den Extremismus mit mehreren Millionen Euro zu unterstützen. Wissenschaftliche Arbeiten, Feldforschung im ganzen Land, Cyberprogramme. Es gibt auch ein Nachrichtenportal, das direkt vom Zentralkommando der Vereinigten Staaten betrieben wird – Verteidigung durch Soft Power, so die Idee.

„Das ist ein arroganter Ansatz“, findet Alisher Khamidov, der sich seit 1999 mit der Radikalisierung in Zentralasien beschäftigt. Wir sitzen in einem modernen Café, es wird Sushi und Bambussalat serviert, dazu läuft russische Popmusik. Khamidov ist ganz rationaler Wissenschaftler, spärlich mit seinen Reaktionen, er spricht perfektes Englisch und wählt seine Worte genau. Khamidov ist in Aravan aufgewachsen, lebte zehn Jahre in den USA, verfasste Bücher zum Thema Extremismus und berät unter anderem die Weltbank.

„Heute ist es in Kirgistan so: Besonders die ländliche Bevölkerung wendet sich zunehmend dem Islam zu. Das ist per se nichts Gefährliches, sondern Teil unserer postsowjetischen Identitätsfindung. Dem nun westliche Werte gegenüberzustellen und zu suggerieren, sie seien besser, halte ich für mindestens fragwürdig“, sagt Khamidov. Oft macht er Pausen von 20 bis 30 Sekunden, bis er weiterspricht.

„Der kirgisische Staat ist in einer Zwickmühle: Unsere Gesetze basieren auf einer säkularen Verfassung, viele Politiker sind gebildet und in einer russisch dominierten Welt sozialisiert. Religion zu fördern, mehr muslimische Bildung anzubieten – das ist für viele Politiker kontraintuitiv.“ Der Staat würde so die säkulare, wohlhabende Schicht verprellen – gleichzeitig könnte sich ein großer Teil der Bevölkerung mit seiner Religiosität alleingelassen fühlen.

Forscher vom Stockholmer Institute for Security & Development Policy, das in Zentralasien sehr aktiv ist, warnen vor einer „drohenden Islamophobie“ in Kirgistan. Muslime im Süden des Landes klagen entsprechend über säkulare Radikale. „Wenn vom Staat nicht mehr kommt, könnte es irgendwann eskalieren“, sagt Khamidov.

Unser Übersetzer Almazbek Abdulin führt uns in eine neue Koranschule, wo Jugendliche gerade Fußball spielen. Wir treffen den Hauptimam von Aravan, einen quirligen Mann, der ständig seinen Fidget Spinner dreht. Er sieht es ähnlich wie Khamidov: „Viele Nichtregierungsorganisationen arbeiten nicht wirklich mit dem lokalen Muftiat, dem islamischen Verwaltungsbezirk, zusammen. Deshalb bewirken sie nur wenig. Sie haben keinen Zugang zu den Jugendlichen.“

Andrang beim Freitagsgebet

Die Angst, die der Rest der Welt gerade vor Zentralasien hat, halten der Imam und auch der Wissenschaftler Khamidov für übertrieben. Die Attentäter von Boston, Sankt Petersburg oder Stockholm hätten sich erst im Ausland radikalisiert, andere Verdachtsfälle haben sich als falsch herausgestellt. Seit Anfang 2017 habe auch die Anwerbung von IS-Soldaten in Zentralasien drastisch abgenommen – ein zerbröckeltes Kalifat ist für niemanden attraktiv.

Einige Tage nach dem Gespräch stellt sich eine Gruppe kirgisischer Feministinnen vor eine Moschee in Bisch­kek und tanzt in Hotpants zu Popmusik, Pussy Riot light. Noch ein paar Tage später hört man von einem Dorf, in dem Einwohner 6.000 US-Dollar gesammelt haben, um den gesamten Alkoholvorrat der Stadt zu vernichten. Insgesamt fünf Gemeinden haben bislang den Verkauf von Alkohol verboten.

Die Werte der Kirgisen, so wirkt es, driften auseinander. Die Debatten laufen in unterschiedliche Filterblasen ab. Während die Massenmedien des Landes einen gemäßigten Islam propagieren, verschaffen sich die Vertreter radikaler Ausrichtungen in den sozialen Medien Gehör.

Wie andere Ex-Sowjetstaaten auch befindet sich Kirgistan noch immer im Prozess, sich von Russland abzunabeln. Die Rückkehr zu den traditionellen Werten des Nomadenvolks gehört dazu, aber eben auch eine stärkere Zuwendung zum Islam. Kirgisen sind Sunniten und folgen der Hanafi-Lehre, einer sehr moderaten Auslegung des Islam. Während es 1990 rund 40 Moscheen gab, sind es heute ungefähr 2.500. Gefördert wird der Islam vor allem aus dem Ausland – „Entwicklungshilfe auf Arabisch“, nennt es Shoruk ­Babayev.

Saudi-Arabien soll am Bau von 90 Prozent der Moscheen beteiligt sein, allein die World Assembly of Muslim Youth hat mehr als 400 Moscheen errichtet. Auch die Gülen-Bewegung hat mehr als 20 Schulen und Universitäten gebaut, die zu den besten im Land zählen. Und der türkische Staat finanziert die Ausbildung vieler Imame.

Hinzu komme jetzt das „digitale Kalifat“, sagt Anne Speckhard, eine US-amerikanische Psychologin, die das International Center for the Study of Violent Extremism in Washington leitet. Speckhards These: Während das Territorium des IS seit Herbst 2017 gen null schrumpft, wächst sein Einfluss über digitale Kanäle rapide. Denn die einstigen Kämpfer kehren jetzt in Scharen in ihre Heimatländer zurück. Speckhard hat selbst mit IS-Soldaten gesprochen und forscht für die UN über Strategien gegen den Islamismus.

„Alles spricht dafür, dass der IS die Heimkehrer verstärkt dazu auffordern wird, im eigenen Land Attentate durchzuführen. Ich denke, dass auch in Kirgistan zunehmend Aggressionen gegen Staat und Polizei zu erwarten sind“, sagt Speckard am Telefon. Gepredigt werde nicht nur in der Moschee, sondern vor allem auf WhatsApp.

Der Wissenschaftler Alisher Khamidov sieht das anders: „Es gibt keinerlei Belege für so eine Entwicklung, viele halten die Gefahr für übertrieben. Deshalb wartet die Politik in Zentralasien erst einmal ab.“

Almazbek Abdulin, der uns bei allen Gesprächen in Aravan begleitet hat, sitzt erschöpft in seinem Garten, es dämmert. Er denkt über die Interviews nach. „Spannend“, sagt er. „In den kirgisischen Medien wird die Radikalisierung nur sehr oberflächlich behandelt. Die sind sehr staatstreu und wollen kein Drama. Über vieles, was ich jetzt gehört habe, sprechen die normalen Kirgisen nicht, das sind Tabuthemen.“ Abdulin würde sich eine breitere öffentliche Debatte wünschen.

Aber, gibt er zu, auch er habe Angst. Gerüchte verbreiteten sich schnell in der Stadt. Ausländer werden sowieso für Spione gehalten, ein Relikt aus Sowjet­zeiten. Und auch die, die für Ausländer arbeiten so wie er, stehen unter Beobachtung. Abdulin nippt an seinem Chai, seine Freunde am Tisch trinken Bier. Am Ende des Abends bittet er uns abzureisen.

Sebastian Gluschak, 33, ist freier Journalist und seit 2013 regelmäßig in Zentralasien unterwegs.

Danil Usmanov, 22, ist Fotograf aus Kirgistan. Er lebt in der Hauptstadt Bischkek.

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