die nachricht: Der Innenminister der Slowakei tritt zurück
Nach der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak gerät die Regierung immer stärker unter Druck. Robert Kaliňaks Rücktritt soll die Lage beruhigen. Ist das zu wenig und zu spät?
Das Neue
Robert Kaliňak ist zurückgetreten. Noch am Freitag hatten Zehntausende in der größten Massendemonstration der Geschichte der unabhängigen Slowakei den Rücktritt des Innenministers gefordert. Mit dem 46-jährigen Kaliňak hat Ministerpräsident Robert Fico jetzt seinen Kronprinzen geopfert. Der studierte Anwalt, seit 2006 für die regierende Směr im slowakischen Nationalrat, galt als engster Vertrauter des Regierungschefs und als sein potenzieller Nachfolger. Kaliňaks Rücktritt komme freiwillig und diene der Beruhigung der Situation in der Slowakei, erklärte er selbst am Montag gegenüber Journalisten in Bratislava. Der Rücktritt kam aber in letzter Minute. Vergangene Woche hatten die Regierungspartner der ungarischen Most-Hid-Partei mit ihrem Austritt aus der Koalition gedroht, falls Kaliňak nicht zurücktreten werde.
Der Kontext
Die Slowaken machen Robert Kaliňak mitverantwortlich für den Mord an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Partnerin, der Archäologin Martina Kušnírová. Das Paar war Ende Februar erschossen in Kuciaks Haus in der Westslowakei aufgefunden wurden. Die Polizei geht davon aus, dass der Doppelmord mit Kuciaks Recherchen zusammenhängt. In seiner Arbeit hatte Kuciak immer zu Verbandelungen von Politik und Wirtschaft recherchiert. Und ob Korruptionsverdacht, Steuerbetrug oder Geldwäsche, Robert Kaliňaks Name taucht oft im Dunstkreis des organisierten Verbrechens auf. Zu oft für einen Politiker. Als oberster Chef der Polizei steht der Politiker auch in der Verantwortung, Kuciak trotz Drohungen nicht hinreichend geschützt zu haben.
Die Reaktionen
Erleichterung. Und die Lust auf mehr. Der Rücktritt Kaliňaks reiche nicht, Ficos Kopf muss rollen, kommentierte die slowakische Presse den Rücktritt. Noch am Tag des Rücktritts forderte die Oppositionspartei „Freiheit und Solidarität“ den Rücktritt Ficos und kündigte an, im Nationalrat einen entsprechenden Antrag zu stellen. Auch die Öffentlichkeit scheint Kaliňaks Abgang nicht besonders beruhigt zu haben. Weitere Demonstrationen sind angekündigt: für den Rücktritt Ficos. Der sieht bislang keinen Handlungsbedarf: „Ich verstehe den Rücktritt Robert Kaliňaks vor allem als seinen persönlichen Beitrag zur Erhaltung der Stabilität und Demokratie und als Möglichkeit, weiterzumachen in der positiven Politik für die Menschen“, sagte Fico.
Die Konsequenz
Die Messer sind gewetzt. Selbst Präsident Andrej Kiska sieht eine Regierungsumbildung oder Neuwahlen als einzige mögliche Lösung der Situation. Diese Woche will er weiter mit Vertretern der Koalitions- und Oppositionsparteien verhandeln. Noch klebt Fico aber an seinem Stuhl und hofft, dass Kaliňaks Rücktritt die Gemüter besänftigen wird. Die öffentliche Meinung ist allerdings weiter gegen Fico eingestellt. Der Ministerpräsident hat seine Legitimität als Regierungschef beim Volk verloren.
Alexandra Mostýn, Prag
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