EU-Sanktionen gegen Internetfirmen: Letzte Warnung an Facebook & Co
Lücken beim Datenschutz, zu wenig Einsatz gegen Hasskommentare: EU-Kommissarin Věra Jourová geht gegen große Online-Plattformen vor.
Doch Jourová reicht dies nicht aus. Gegen Hasskommentare, gegen Verleumdungen, gegen strafbare Inhalte tun die Online-Plattformen aus ihrer Sicht viel zu wenig. Zwar hätten die Konzerne sich freiwillig verpflichtet, doch nur rund 70 Prozent solcher Veröffentlichungen würden gelöscht, sagt sie. Auch die Meldeverfahren stellen Jourová nicht zufrieden. Bei Facebook und Twitter gibt es zwar eine E-Mail-Adresse, über die illegale Inhalte gemeldet werden können. Eine Verpflichtung darüber, wann diese Mails bearbeitet sein müssen, fehlt hingegen.
„Ich bin darüber nicht glücklich“, sagt die EU-Kommissarin. Deshalb will sie noch in dieser Woche Social-Media-Anbieter zu härteren Maßnahmen verpflichten. So sollen die Meldeverfahren verbessert und verdächtige Inhalte binnen einer Stunde gelöscht werden müssen. Diese „Empfehlungen“, wie sie im EU-Sprech heißen, sind eine Art letzte Warnung, bevor Brüssel gesetzliche Vorgaben in die Wege leitet – inklusive Sanktionen. Bis Mai haben die Unternehmen Zeit, die Regeln umzusetzen. Wenn nichts passiert, droht Jourová mit einer gesetzlichen Regelung. Vorbild könnte das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz sein, laut dem Plattformbetreiber seit Januar für die Inhalte verantwortlich sind, die sie verbreiten.
Nicht nur beim Umgang mit illegalen Inhalten, auch beim Verbraucherschutz droht den IT-Konzernen eine härtere Gangart,. Für Jourová sind Facebook, Twitter oder Google+ Werbe- und Verkaufsplattformen. Also müssen sie auch die Verbraucherschutzregeln einhalten, findet Jourová. Und fordert eigentlich Selbstverständliches: „Wir wollen klarstellen, dass die Geschäftsbedingungen der Internetfirmen dem EU-Recht unterliegen.“ Dem ist derzeit nicht so: Immer wieder müssen Kommission oder nationale Behörden die meist aus den USA stammenden Firmen auffordern, EU-Verbraucherschutzregeln einzuhalten.
Věra Jourová, EU-Kommissarin
Dabei geht es vor allem um das Recht, Beschwerden an die Anbieter in Europa einzureichen – und nicht nur in Übersee. Wollen Nutzer von einem Kauf in Internet zurücktreten, ist dies laut EU-Gesetzen kein Problem, wohl aber bei einigen der US-Netzwerke. Weiteres Problem: Kommerzielle Angebote und gesponserte Inhalte müssten vielfach klarer gekennzeichnet werden. Noch bis Ende März haben die Unternehmen nun Zeit, ihre Geschäftsbedingungen den EU-Vorgaben anzupassen – in allen Sprachfassungen.
Komplizierter Datenschutz in der EU
Auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar will die Plattformen stärker in die Verantwortung nehmen. Die Vergangenheit zeige, dass die freiwilligen Bemühungen nicht ausreichten, um strafbare Inhalte wie Hate-Speech oder Fake News in den Griff zu bekommen, sagt Caspar. Er hofft nun, dass die EU eine Regelung findet, die alle Interessen einschließt. Das wird nicht einfach. Hassrede habe keinen Platz auf Facebook, sagt eine Facebook-Sprecherin zur taz. Erst 2017 habe man Prozesse und Richtlinien hierzu weiter verbessert. Der Konzern meint also, bereits genug getan zu haben.
Über allem schwebt ohnehin die EU-Datenschutzgrundverordnung, die im Mai europaweit in Kraft tritt. „Der Schutz der Privatsphäre ist ein Grundrecht“, sagt Kommissarin Jourová. „Auch wenn Daten die EU verlassen, gelten die EU-Rechte nach wie vor.“ Doch ist die Verordnung wirklich eine scharfe Waffe gegen Facebook, Twitter & Co.? „Leicht wird es nicht“, sagt Věra Jourová. Das hat auch mit unterschiedlichen Vorstellungen von Datenschutz in der EU zu tun. Für Tschechien etwa, das Land, aus dem Jourová kommt, hat das Thema keine hohe Priorität.
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