: Der Handel mit Müll floriert
Bremen exportiert den eigenen Abfall und importiert dafür anderen. Ein lukratives Geschäft, aber kontrolliert werden die Wege, die der Müll nimmt, kaum. Dem Senat ist der eigene ökologische Anspruch offenbar egal, kritisiert die Linke
Von André Zuschlag
Kontrolle und Verantwortung abgegeben und den Überblick verloren: So fasst die Linksfraktion die Antwort des Senats auf eine Große Anfrage über Verwertung und Handel mit Müll im Land Bremen zusammen. „Während Abfälle aus Israel oder Irland zur Verwertung nach Bremen exportiert werden, wird der eigene Biomüll künftig auf Lkw weggeschafft“, bemängelt Nelson Janßen, Bürgerschaftsabgeordneter und Sprecher für Umwelt- und Energiepolitik der Linksfraktion. Ökologisches Bewusstsein sehe anders aus.
Anlass der Anfrage war die Entscheidung des Senats, dass der Biomüll ab Mitte des Jahres nicht mehr vom Bremer Unternehmen Nehlsen abgeholt und verwertet wird, sondern vom Branchenriesen Remondis. Der wird den Biomüll künftig nicht mehr in die Blockland-Deponie kutschieren, sondern in eine Anlage, die rund 100 Kilometer entfernt im Osnabrücker Land liegt. Rund 25.000 Tonnen pro Jahr werden dann, zu deutlich geringeren Preisen als bisher, auf Lastwagen weggebracht. „Damit ist der Senat zwar dem Marktmechanismus gefolgt, aber unter ökologischen Aspekten darf das nicht der Anspruch sein“, sagt Janßen.
Das Land Bremen ist zugleich mittlerweile zu einem großen Importeur von Abfällen geworden. Müll, der in Bremen verwertet wird, kommt aus den Niederlanden, Finnland oder Großbritannien ebenso wie aus beinahe allen Bundesländern. Importiert wird so ziemlich alles, womit sich Geld verdienen lässt. Von Bodenschlämmen aus Tanks über quecksilberhaltige Abfälle bis zu Farb- und Lackabfällen.
Rund 222.000 Tonnen Müll kamen 2016 aus dem Ausland, knapp fünf Prozent zählten zu den gefährlichen Abfällen. Als gefährlich gelten nach EU-Richtlinien explosive, leicht entzündbare, krebserregende oder ätzende Abfälle. Rund 930.000 Tonnen Müll kamen aus den anderen Bundesländern. Bei diesem Müll liegt der Anteil gefährlicher Abfälle bei rund 21 Prozent. Insgesamt handelt es sich also um rund 1,15 Millionen Tonnen Müll, wie aus der Senatsantwort hervorgeht. Dabei sah das vor wenigen Jahren noch anders aus. „Die Masse der ‚importierten‘ Abfälle hat in den vergangenen Jahren fast exponentiell zugenommen“, hieß es zuvor auch schon in einer Bilanz der Umweltbehörde.
Demgegenüber liegt die Gesamtmenge von Abfällen aus Haushalten und Kleingewerbe im Land Bremen üblicherweise bei jährlich nur 300.000 Tonnen. Das meiste davon, rund 96 Prozent, wird energetisch verwendet, kommt also zur Energieerzeugung in die vier privat geführten Bremer Verbrennungsanlagen. „Es müsste endlich mal grundsätzlich problematisiert werden, dass dieses Hin- und Hertransportieren nicht ökologisch nachhaltig ist“, sagt Janßen. Der Senat könne sich nicht darauf ausruhen, dass das alles in privater Hand geschehe, schließlich beteilige sich das Land durch die Vergabepraxis auch selbst am Mülltourismus.
Nelson Janßen, Linke
Weiter kritisiert die Linke, dass es an den Bremer Häfen immer wieder Verdachtsfälle auf illegale Abfallverbringung, insbesondere nach Westafrika, gebe. „Dabei handelt es sich um umweltschädlichen Elektroschrott, der häufig in den Ländern des globalen Südens auf offenen Müllkippen verklappt wird“, sagt Janßen. Das sei weder im Interesse der Menschen vor Ort noch entspreche dies den eigenen Umweltstandards.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz fordert den Senat schon seit Längerem auf, intensiver zu kontrollieren, ob Elektroschrott über die Bremer Häfen illegal vor allem nach Afrika verschifft wird. Allerdings sind laut Senatsantwort nur zwei Stellen in der Behörde dafür angesetzt. „Bedingt durch die personellen Kapazitäten konnten in den letzten Jahren keine regelmäßigen gemeinsamen Kontrollen durchgeführt werden“, heißt es dann auch aus der Umweltbehörde.
Viele Fragen zu diesem Themenkomplex bleiben aus Sicht der Linksfraktion nun auch nach der Senatsantwort offen. Allerdings wird das Thema Müll demnächst noch einmal öffentlich in der Bürgerschaft diskutiert. „Wir wollen deutlich machen, dass Bremen sich nicht als Drehscheibe des internationalen Abfallhandels aus der Verantwortung ziehen darf“, sagt Janßen.
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