: Glückwunsch
Wir gratulieren der Schriftstellerin Gudrun Pausewang zu ihrem 90. Geburtstag. Ihre Bücher, besonders „Die letzten Kinder von Schewenborn“ und „Die Wolke“ haben ganze Generationen von jungen Lesern bewegt, manche begeistert, andere traumatisiert. Eine Hommage – und eine Abrechnung
Da ist eine, die wollte nie in Watte packen, sondern in Worte. Und ihre Worte sind Mahnungen, denn nichts, und da hat Gudrun Pausewang, die am 3. März 1928 in Böhmen geboren wurde und jetzt neunzig Jahre alt wird, so recht, ist schlimmer, als gleichgültig den Ungerechtigkeiten der Welt gegenüber zu sein.
Ungefähr hundert Bücher hat Pausewang, die lange auch Lehrerin war – auch in Lateinamerika –, geschrieben, die meisten für Kinder und Jugendliche. Sie meint, dass sie im Schreiben ihre überbordende Fantasie bändigen kann, dass Schreiben ein Ventil sei, aber auch eine Plattform, von der aus sie mahnen kann, gegen alles, was Unheil und Unfreiheit über die Menschen bringt.
In einigen ihrer Bücher klärt sie über die Nazizeit auf. Sie hat sie erlebt. Auch die Flucht aus dem Osten. Sie beschreibt in den Romanen, was es mit den Menschen macht, in so einer Diktatur zu leben. Ihr bekanntestes Buch jedoch ist „Die Wolke“, geschrieben nach der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl. In dem Roman zeigt sie, dass der Verlust an Mitmenschlichkeit und die menschlichen Verwerfungen, die eine Havarie in einem Atomkraftwerk im dicht besiedelten Deutschland mit sich brächten, unerträglich wären.
Sie wollte, wenn sie von ihren Enkeln oder Urenkeln gefragt werde, was hast du gegen dieses oder jenes Unheil getan, nicht sagen müssen: Ich habe nichts getan. Gudrun Pausewang hat schreibend aufgeklärt. Was aber wirklich absurd ist, ist, dass sie für ihre moralische Aufrichtigkeit kritisiert wird, dass gesagt wird, sie schüre Angst, fahre auf dem Ticket der Schuld, traumatisiere Kinder. Vor allem Letzteres ist Quatsch. Die Wirklichkeit traumatisiert die Kinder und nicht die Literatur. Es ist kein Fehler, wenn Kinder wissen, in welcher Welt sie glücklicherweise gerade nicht leben und dass es gut ist, sich dafür einzusetzen, dass das so bleibt. Seit wann muss moralische Aufrichtigkeit im Wohlfühlmodus daherkommen? Das können doch nur jene verlangen, die wissen, dass sie nicht genug tun, um das, was schiefläuft, zu ändern. Die Welt ist schlecht, aber ich mache Party. Tanzend in den Abgrund, Titanic und so. Was soll das?
„Empört euch“, schrieb der Schriftsteller Stéphane Hessel neunzigjährig und wurde dafür gefeiert. Pausewang wurde auch gefeiert, sie hat unzählige Preise erhalten, aber ihre moralische Strenge wird oft, auf eine verbrämte Art, kritisch beäugt.
Pausewang habe das Private politisch gefasst und das Politische literarisch, wurde in der Laudatio bei der Jugendliteraturpreisverleihung 2017 gesagt. Ja, genau so. Und daran ist nichts, wirklich nichts falsch.
Es ist eine unglaubliche Leistung, sich treu zu bleiben, allen Angriffen zum Trotz. Herzlichen Glückwunsch, liebe Gudrun Pausewang, zu Ihrem 90. Geburtstag.Waltraud Schwab
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen