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G20-Prozess ohne Urteil

Der Prozess gegen den 19-jährigen G20-Gegner Fabio V. aus Italien ist im letzten Moment geplatzt

Aus Hamburg Katharina Schipkowski

Fabio V. kann nach Hause – der Prozess gegen ihn ist geplatzt. Am heutigen Dienstag stand eigentlich der letzte Ver­handlungstermin an, bevor die Richterin Anfang März in den Mutterschutz geht. Das Gericht sagte den Termin jedoch kurzfristig ab – die Richterin sei krank. Ein Ersatztermin ist nicht angesetzt. Damit liegt der meistbeachtete G20-Prozess auf Eis – bis eine andere Kammer das Verfahren neu aufrollt. Dazu wird es, wenn überhaupt, frühestens in ein paar Monaten kommen. „Wie es weitergeht, können wir noch nicht sagen“, sagte ein Gerichtssprecher am Montag.

Überraschend ist das vorzeitige Ende nicht – bereits vergangene Woche zeichnete sich ab, dass es nicht mehr vor dem Mutterschutz der Richterin zu einem Urteil kommen würde. Während die Richterin sich bemühte, fertig zu werden, stellten V.s Verteidiger*innen Anträge über Anträge und zogen den Prozess so in die Länge. Sie argumentierten, die Umstände des Polizeieinsatzes müssten noch aufgeklärt werden – und halten ihn für rechtswidrig. Die Polizei hatte die Demo ohne Ansage brutal zerschlagen.

V. wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen, weil er sich an einer Demonstration beteiligt hat, bei der G20-Geg­ner*innen Steine in Richtung der Polizei warfen. Die Beweislage gegen ihn ist aber dünn – im Laufe der zwölf Verhandlungstage schrumpfte das erwartete Strafmaß von einer Freiheitsstrafe auf eine Jugendstrafe zur Bewährung zusammen. Keiner der vernommenen Zeugen hatte ihn auch nur am Tatort gesehen.

Obwohl die Staatsanwaltschaft ihm keine individuelle Tat zur Last legt, sondern Teilnahme und psychologische Unterstützung der Demo, saß V. fast fünf Monate lang in Untersuchungshaft, weil ihm das Gericht Fluchtgefahr und schwere Erziehungsmängel attestierte. Amnesty International kritisierte die Haft, das Komitee für Grundrechte und Demokratie forderten einen Freispruch.

Das Verfahren sollte ein Pilotprozess im sogenannten Rondenbarg-Komplex sein: Zusammen mit V. wurden 73 andere G20-Gegner*innen verhaftet. Sie alle sollen sich noch vor Gericht verantworten – bisher stehen aber noch keine Termine fest. V. jedenfalls wird am Mittwoch mit seiner Mutter, die für die Dauer des Prozesses nach Hamburg gezogen war, nach Hause fahren.

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