heute in bremen: „Ausschließlich gegen Schwarze“
Gundula Oerter, 54, ist bei der „Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé“, die den Vortrag organisiert.
Interview Jean-Philipp Baeck
taz: Frau Oerter, Aktivisten berichten heute aus St. Pauli. Um was geht es?
Gundula Oerter: Seit Herbst 2015 gibt es in St. Pauli immer wieder brutal verlaufende Polizeieinsätze, die ausschließlich gegen schwarze Männer gerichtet sind.
Die Polizei erklärt, sie führe Drogenkontrollen durch.
Wenn überhaupt, wurden bislang meist nur geringe Mengen an Drogen gefunden. Die Polizei rückt dagegen teils mit Hundertschaften an. Es geht um Kriminalisierung.
Sind die Situationen in St. Pauli und im Viertel vergleichbar?
In Hamburg ist die Verfolgung ungleich massiver. In Bremen wurde Ende 2016 die „Ermittlungsgruppe Straßendeal“ eingerichtet. Auch hier richtet sich die Verfolgung durch die Polizei ausschließlich gegen Schwarze.
Am Sielwall-Eck wird einem Gras nur von Schwarzen angeboten. Wie kann die Polizei hier anders agieren, als Schwarze zu kontrollieren?
Vortrag und Diskussion „Rassistische Säuberungen in St. Pauli Süd und der Tod von Yaya Jabbi“, mit AktivistInnen der „Anwohner_inneninitiative Balduintreppe“ aus St. Pauli, 19.00 Uhr, Paradox, Bernhardstraße 12
Die Unschuldsvermutung ist keine Gnade, sondern ein zentrales Rechtsstaatsprinzip. Gegen verdachtsunabhängige Kontrollen sind wir als Linke grundsätzlich. Das Problem ist außerdem komplexer: Das ist eine irrationale Drogenverbotspolitik, die nichts bringt, das wissen KriminalbeamtInnen wie KriminologInnen. Am Ende kommt nichts dabei heraus – außer die Terrorisierung von bestimmten Menschen, die auf der Straße verkaufen. Hier wird reine Symbol-Politik betrieben als Reaktion auf Beschwerden aus der Bevölkerung. Schon diese Beschwerden sind ein Teil des Problems: Hier wird lediglich der sichtbarste, der verletzlichste Teil des Marktes wahrgenommen und als „anders“, als bedrohlich markiert. Diese Markierung von schwarzen Männern macht dann die Verfolgung möglich und wird durch sie wiederum verstärkt. Das ist rassistisch. Und es kann auch tödlich enden.
Wie meinen Sie das?
Im Februar 2016 kam in Hamburg Yaya Jabbi in Untersuchungshaft ums Leben. Er wurde mit 1,65 Gramm Cannabis festgenommen. Weil er keine festen Wohnsitz in Hamburg hatte und nur eine Duldung, ordnete ein Richter die Haft an. Wie viele Weiße aus Blankenese kämen wegen 1,6 Gramm Cannabis in U-Haft? Jabbis Tod soll ein Suizid gewesen sein, aber nichts deutet darauf hin, dass er selbstmordgefährdet war. Wir wissen nicht, warum er zu Tode kam. Wir wissen aber: Er ist wie Achidi John und Laye Condé ein weiterer Schwarzer, der nach einer Polizeikontrolle starb.
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