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Der total vermasselte Traum von Olympia

Viele TV-Bilder aus Pyeongchang werden via Leipzig versendet. Das Sendezentrum von ARD und ZDF steht in der Stadt, die tatsächlich mal die Sommerspiele austragen wollte

Von Andreas Rüttenauer

Er war kaum zu übersehen. Altbundeskanzler Gerhard Schröder hat die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang besucht und sich pudelwohl gefühlt in der offiziellen Olympiabekleidung des deutschen Teams, mit der man ihn ausgestattet hatte. Weil seine Freundin aus Korea stammt, konnte der Boulevard schöne Geschichten über verliebtes Händchenhalten im Glanz deutscher Goldmedaillen in die Heimat funken. An den Kameras und Mikrofonen kann man als ehemaliger Kanzler ja nicht vorbeigehen, ohne etwas zu sagen, und so war es in der Welt: Gerhard Schröder will Olympische Spiele in Deutschland sehen. Und weil es in Berlin so metropolisch ist, sollen die in der Bundeshauptstadt stattfinden.

In Leipzig wird man sich erinnern, dass Gerhard Schröder schon einmal Botschafter für eine deutsche Olympiabewerbung war. Voller Stolz stürzte sich die Stadt in das Rennen um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2012. Im nationalen Vorentscheid hatte sich Leipzig gegen Hamburg, das Rhein-Main-Gebiet, Düsseldorf und Stuttgart durchgesetzt. Nachdem die üblichen Bewerbungsfilmchen gezeigt waren, holte der seinerzeitige Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee ein paar Töne aus seinem Cello und überzeugte so die Mehrheit der versammelten Vertreter des Nationalen Olympischen Komitees, für Leipzig zu stimmen. Was folgte, kann man getrost als einziges Desaster bezeichnen.

Mit einem spektakulären Entwurf für einen Olympiapark, den die Architekten Peter Eisenman und Peter Kulka vorgestellt haben, war die Bewerbungsgesellschaft ins Rennen gegangen. Sie ernteten Respekt für ihren Entwurf eines neuen Olymiastadions, das am Ufer der Weißen Elster entstehen sollte. Eisenman sagte damals, Leipzig sei „das Tor des Internationalen Olympischen Komitee nach Osteuropa, einem Territorium, das seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kaum Beachtung fand“. Derart visionäre Sätze verschwanden schnell aus der Berichterstattung über die Bewerbung, die mit dem Motto „one family“ beim Internationalen Olympischen Komitee reüssieren wollte.

Stattdessen wurde über die Stasi gesprochen. Dirk Thärichen, der Chef der Bewerbungsgesellschaft, war in den letzten Tagen der DDR als Wehrdienstleistender beim Wachregiment Feliks Dzierzynski, das dem Innenministerium unterstellt war, zweifellos ein Stasimitarbeiter. Mehr aber auch nicht. Er war kein Spitzel, kein inoffizieller Mitarbeiter. Und doch war er nicht mehr tragbar. Der Traum von Olympia hatte einen Stasi-Makel bekommen. Vier Tage nach Veröffentlichung von Thärichens Stasiakte beschloss der Chefbewerber sein Amt ruhen zu lassen.

Ein paar Tage später erhielt er sein Kündigungsschreiben. Doch um seine Stasi-Tätigkeit geht es nicht darin. Es geht um Betrugsvorwürfe. Auch sein Nachfolger Burkhard Jung, ein enger Vertrauter von Oberbürgermeister Tiefensee, wurde schnell wieder rausgeschmissen. Das olympiaübliche Spielchen um Beraterverträge und Provisionszahlungen wurde auch in Leipzig getrieben. Der olympische Geist war schnell zu einem Gespenst geworden.

Im Mai 2005 kam dann das Aus für die Olympiabewerbung. Leipzig wurde erst gar nicht zum Rennen um Olympia zugelassen. Der damalige IOC-Präsident Jacques Rogge ließ mitteilen, dass die Stadt für Olympia schlicht nicht geeignet sei. Bei der Evaluation des IOC landete die deutsche Bewerbung auf Platz sechs. Nur die ersten fünf Städte wurden zur Abstimmung zugelassen. Leipzig war schlicht zu klein, um den Koloss Olympia beherbergen zu können. Den Bewerbungsfilm, den Sönke Wortmann für die Stadt gedreht hatte, bekamen die Mitglieder des IOC nie zu Gesicht. Der Traum von Olympia war vorbei, die Aufarbeitung des Korruptionsskandals dauerte noch eine Weile.

Fast sechs Jahre nach den Spielen 2012, die das IOC dann nach London vergeben hat, ist Leipzig dann doch noch Olympiastadt geworden. In der Media City in der Südvorstadt ­haben ARD und ZDF ihr Sende­zentrum eingerichtet, in dem die Berichterstattung von den Olympischen Spielen aus Pyeong­chang koordiniert wird. Immerhin.

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