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Verfahren gegen Tariq Ramadan

Nach den Vergewaltigungsvorwürfen von zwei Frauen haben die französischen Behörden ein Ermittlungsverfahren gegen den weltbekannten Islamwissenschaftler und Oxford-Professor eröffnet

Aus Paris Rudolf Balmer

Der weltweit bekannte Islamprofessor Tariq Ramadan sitzt weiterhin in Haft. Nach einer zweitägigen polizeilichen Befragung hat die französische Justiz ein Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung in zwei Fällen gegen ihn eröffnet. Offenbar befürchtet die Justiz, dass der Islamwissenschaftler mit Schweizer Pass und ägyptischer Staatsangehörigkeit vor einem eventuellen Prozess flüchten könnte. Nicht weniger als drei Untersuchungsrichter sind mit den Ermittlungen beauftragt worden.

Zwei Frauen hatten gegen Ramadan Klage wegen Vergewaltigung in den Jahren 2009 und 2012 eingereicht. Mit einer Verleumdungsklage und einem für ihn sprechenden Zeugen wollte Ramadan eine der beiden Anklägerinnen als Lügnerin diskreditieren. Henda Ayari, eine ehemalige Salafistin, hatte ihn als Erste beschuldigt und auch gesagt, sie sei wegen der Vorwürfe bedroht worden. Belastender dürften jedoch die Angaben eines zweiten mutmaßlichen Opfers sein.

Christelle, wie die Medien diese nicht mit Klarnamen bekannte Frau zu ihrem Schutz nennen, war 36 Jahre alt und seit einem Unfall gehbehindert, als sie Ramadan im Jahr 2009 nach einem Austausch per Internet am Rande einer seiner Konferenzen in Lyon in einer Hotelbar persönlich getroffen haben will. Wie die Tageszeitung Le Monde und die Sonntagszeitung Journal du Dimanche aus Justizkreisen erfahren haben wollen, hat Ramadan nach Schilderung von Christelle vorgeschlagen, in sein Zimmer zu gehen. Was dort geschah, war nach Christelles Angaben von extremer Brutalität: Er habe sie beschimpft, geschlagen, an den Haaren gerissen, zu Analverkehr gezwungen und zuletzt auf sie uriniert.

Ramadan hatte dies von Beginn an kategorisch von sich gewiesen: Er habe keinerlei sexuelle Kontakte mit dieser Frau gehabt. Doch ein winziges Element wird im nun zur Last gelegt: Christelle erinnerte sich, bei ihrem Angreifer eine kleine Narbe im Intimbereich gesehen zu haben. Vor der Gegenüberstellung sollen die Ermittler Ramadan nach den Medienberichten beiläufig nach Narben auf seinem Körper gefragt haben. Ramadan bestätigte die Narbe samt der genauen Stelle.

Ramadan, ein Enkel des Gründers der Muslim-Bruderschaft in Ägypten, war mit seinen Konferenzen und seinen Büchern über einen zeitgenössischen Islam prominent geworden; wegen Äußerungen etwa zu Steinigungen galt er aber auch als umstritten. Seine Fans mutmaßen in den sozialen Netzwerken, er sei ein Opfer eines antiislamischen Komplotts. Doch die anfängliche Unterstützung bröckelt, und der vorher in Oxford und Qatar als Dozent tätige und nun „bis auf Weiteres beurlaubte“ Ramadan scheint nun auch in Fachkreisen zur Persona non grata zu werden.

Die Anwälte der beiden Klägerinnen wollen nun erreichen, dass sich mögliche weitere Betroffene bei der Polizei melden. Westschweizer Medien hatten vorher bereits von ehemaligen Schülerinnen berichtet, die erzählt hatten, als 16- bis 18-Jährige habe ihr damaliger Genfer Lehrer Ramadan sie zu gewaltsamem Sex gedrängt. Aus juristischer Sicht sind diese sexuellen Beziehungen der Autoritätsperson mit in Abhängigkeit stehenden Minderjährigen indes heute verjährt. Bei einem Prozess aber hätte eine solche Vorgeschichte zweifellos Gewicht.

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