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Jodeln im Kontext von Popmusik

Mit ihrem Soloalbum gibt Kutzkelina Einblick in ihren musikalischen und auch sonst eigenwilligen Kosmos

Von Stephanie Grimm

Was haben Element of Crime, die Sleaford Mods und Dagobert gemein? Was ihre künstlerische Vision angeht, wohl eher wenig. Doch alle standen schon mal mit Doreen Kutzke aka Kutzkelina auf einer Bühne oder im Studio. Nun erscheint ein Soloalbum der umtriebigen Berliner Sängerin und Autoharpistin. „Happy Trailer Life“ heißt das Debüt. Entstanden sind die Songs über einen Zeitraum von zehn Jahren. „Ich war es den Stücken langsam schuldig“, sagt Kutzkelina. Das Album bringt sie im Eigenverlag heraus, produziert hat es ihr Schlagzeuger Philipp Bellinger (aka Dagobert), der auch auf dem hübsch-tra­shigen Albumcover zu sehen ist. Obwohl es die Songs nur als Download geben wird – in Punkto Ästhetik lässt sich Kutzkelina nicht lumpen, viel Liebe zum Detail ist etwa ins Artwork geflossen.

Ihr geht es vor allem darum, die Stücke auf die Bühne zu bringen, sagt Kutzkelina. Das Performen ist ihre Leidenschaft. Und wer sich regelmäßig in Berliner Clubs tummelt, hat Kutzkelina vermutlich in einem oder anderen Kontext schon live erlebt. Bei einem ihrer Auftritte mit Fearless Bob, mit dem sie Country-Songs covert. Seinerzeit beim Popchor Berlin, einem Projekt der verstorbenen Almut Klotz. Oder als eine Hälfte des dadaistischen Elektropop-Duos Parabelles. Auch bei Jörg Buttgereits Ramones-Musical wirkte sie mit. Die Liste ihrer ­Aktivitäten ist lang und vielseitig.

Bei allem, was die gelernte Schauspielerin tut, spielt Gesang eine zentrale Rolle – was nicht zuletzt daran liegt, dass Kutzkelina Ungewöhnliches mit ihrer Stimme anzustellen weiß. Seit 2001 betreibt sie die Jodelschule Kreuzberg. Und hat es damit weit gebracht: Das Jodeln hat ihr Lehraufträge am Londoner Goldsmith College oder der isländischen Kunstakademie und Kunstprojekte in aller Welt beschert.

Abgesehen davon ernähren sie die Workshops, die sie veranstaltet – bei sich zu Hause oder auch auf Partys, für die sie gebucht wird. „Oft bin ich der Überraschungsgast, der die Leute knacken muss.“ Was am Ende aber meistens funktioniert. Singen macht eben fast alle Menschen glücklich.

Den Erfolg ihrer Schule erklärt sie sich damit, dass die Community, die das Jodeln als Brauchtumspflege betreibt, recht hermetisch abgeschlossen ist. Es gibt durchaus andere Jodellehrer, selbst in Berlin, aber eben keine Berührungspunkte zur Popmusik.

In diesem Kontext ist die Stimmtechnik tatsächlich Kutzkelinas Alleinstellungsmerkmal. Das Jodeln hat bei ihr einen authentisches Hintergrund. Nicht nur im Alpenraum, auch im Harz, wo die 1975 geborene Sängerin auf DDR-Seite aufgewachsen ist, gibt es die Tradition. „Es sind andere Stücke als in den Alpen, doch inhaltlich geht es auch da oft um Landschaftsbeschreibungen“, erklärt Kutzkelina. Sie hat das Jodeln als Kind im Chor gelernt. „Es hat mich nie wieder losgelassen.“

Auch ihrem Solodebüt hört man diese und anderen Leidenschaften heraus, etwa für ihr Instrument, die Autoharp: eine Zither, die man in der Hand hält. Es stecken Country-Zitate und ein bisschen TweePop in ihren Songs, die vertraut klingen und doch eigenständig – und an einigen Stellen nach Herzschmerzverarbeitung.

„Wenn es mir gut geht, habe ich nicht unbedingt den Impuls, einen Song zu schreiben“, sagt Kutzkelina. „Es gibt es mehrere Adressaten, die Songs sind über einen langen Zeitraum entstanden.“ Und sie erzählt, dass, obwohl ihr sonst viel peinlich ist, sie mutiger geworden sei, wenn es darum geht, ihre Songs in die Welt zu bringen. „Jealous Girl“ etwa sei schon zehn Jahre alt. „Da spricht ein viel jüngeres Ich. Trotzdem singe ich es gerne.“

Was sich ebenfalls durch dieses Album zieht, sind reichlich Humor und Selbstironie, etwa in dem Song „Superstition“. Sie erzählt, dass sie extrem abergläubisch sei, wenn auch nicht gerne. Zum Beispiel achte sie fast zwanghaft auf Nummernschilder der vorbeifahrenden Autos. „Wenn ich versuche, mich von einer Macke zu befreien, kommt ein anderer Tick dazu.“ Wie schön, dass dieser Einblick in Kutzkelinas liebevoll zusammengebauten, leicht verschrobenen, eigenwillige Kosmos, nun endlich in der Welt ist.

Release Party am 2. 2., 20 Uhr, Ausland, Lychener Str. 60. „Happy Trainer Life“: Download unter kutzkelina.bandcamp.com/releases

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