: Streiken für das Tarifupdate
Die studentischen Beschäftigten der Berliner Hochschulen streiken erstmals seit 1986 wieder
„Make Tarifvertrag great again“ und „Ohne uns geht gar nix“ steht auf den Plakaten, die die studentischen Beschäftigten hochhalten. Rund 8.000 von ihnen arbeiten an Hochschulen als Tutor*innen, in Bibliotheken oder in Forschungsprojekten. Ihr Stundenlohn liegt seit 2001 unverändert bei 10,98 Euro. Bei steigenden Lebenshaltungskosten ist das laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nicht ausreichend. Sie fordert längere Vertragslaufzeiten und die Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes. Nach gescheiterten Verhandlungen hat sie am 16. Januar zum Warnstreik aufgerufen.
Rund 1000 Streikende und Unterstützer*innen haben sich auf dem Bebelplatz gegenüber dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität zur zentralen Streikkundgebung eingefunden. Die Freie Universität (FU) hatte ihren Angestellten bei Streikteilnahme noch mit Konsequenzen gedroht.
Kristina und Lisa, die ihre Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchten, arbeiten als studentische Beschäftigte an der FU. Sie sind bald fertig mit ihrem Studium. Ein neuer Tarifvertrag käme für sie also zu spät. Sie wollen trotzdem streiken und bessere Arbeitsbedingungen für ihre Kolleg*innen erreichen. Ihr komplettes Gehalt wendet Kristina für die Miete auf. Deshalb wird sie finanziell von ihren Eltern unterstützt. „Die, die nicht so privilegiert sind, müssen stattdessen einen Kredit aufnehmen“, sagt sie.
Die Schlange vor dem Zelt, in dem man sich in die Streiklisten eintragen kann, wird immer länger. Gabriel Tiedje steht dort mit einer Gruppe Kollegen von der TU, ein Megafon um die Schulter gehängt. Ihn stört nicht nur der niedrige Lohn: „Viele Tutoren arbeiten in zu großen Tutorien, sie sind vollkommen überlastet.“
Am Rande des Geschehens steht Lukas M. und beobachtet Gabriel Tiedje und die anderen Streikenden. Er arbeitet an einem Lehrstuhl und sein Chef ist gerade in der Mittagspause. Er hat sich entschieden, nicht zu streiken. Denn er befürchtet, dass bei der geforderten Stundenlohnerhöhung auf 14 Euro die Hochschulen, um die Mehrkosten abzufedern, Stellen kürzen und Verträge von studentischen Beschäftigten nicht verlängern werden. In Gesprächen mit Streikenden anderer Universitäten scheint sich in ihm aber etwas zu regen. Sollte er sich dem Streik doch anschließen? Den Gewissensbissen zum Trotz geht er lieber schnell zurück ins Büro. Er hat Angst, dass sein bald auslaufender Vertrag nicht verlängert wird, wenn er sich doch für den Arbeitskampf entscheidet.
Vincent Bruckmann
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