Isolde Charim Knapp überm Boulevard: Die Auseinandersetzung mit den Rechten geht nicht nach Art eines Fußballspiels
Letzten Sonntag war Daniel-Pascal Zorn in Wien. Einer der drei Autoren von „mit Rechten reden“. In Wien aber hat er mit mir geredet. Öffentlich. Im Volkstheater. In dem Buch, das sich als „Leitfaden“ bezeichnet, geht es um den Appell, Rechte nicht einfach auszugrenzen oder totzuschweigen. Denn damit würde man nur deren Spiel spielen. Das Spiel, sie zu „Opfern“ zu machen und ihnen so Aufmerksamkeit zu liefern. Deshalb sollte man eben besser „mit Rechten reden“.
Mit dieser Botschaft nach Wien kommen hieße, Eulen nach Athen tragen – wenn Wien nicht so anders als Athen wäre. Denn wir sind hier schon ganz woanders. Hier geht es schon längst nicht mehr um die Frage, reden oder nicht reden. Hier geht es schon längst nicht mehr um Talkshows.
Hier war es im Wahlkampf keine Frage mehr, dass der Chef der FPÖ in der Runde der Kanzlerkandidaten sitzt. Hier gibt es – anders als im Jahr 2000 – nicht einmal mehr die ganz große Empörung darüber, dass die Rechten in der neuen Regierung sitzen. Nur dass sie sowohl das Innen- als auch das Verteidigungsministerium leiten, ist doch noch verstörend.
Und wir haben mit ihnen geredet. Und wir haben mit ihnen nicht geredet. Und wir haben die Diskussion geführt, ob man denn nun reden soll oder nicht. Ob man sie einladen soll. Zu Talkshows. Zu Diskussionen. Wohin auch immer. Oder ob man ihnen besser keine Bühne bieten sollte. Ob man ihre Fotos bringen soll. Die Stadtzeitung Falter hatte mal ein Bilderverbot für Haider ausgegeben. Aus der Überlegung heraus, dass jedes Bild sie stärke. So wie auch jede Schlagzeile – egal ob positiv oder negativ – ihnen das Gold des Politikers liefert: Aufmerksamkeit.
Man kann nicht einfach sagen: Wir müssen uns hinstellen und „mit Rechten reden“, wie Zorn und seine Koautoren meinen. Es geht nicht darum, ihnen zu zeigen, dass sie die schlechteren Argumente haben. Dass sie an einem Punkt keine Begründungen mehr vorbringen können, weil das der Punkt ist, wo sich zeigt: Ihr ganzes Gebäude beruht auf einer Setzung. Auf Willkür. Auf Dezision.
Man darf die Auseinandersetzung mit den Rechten nicht nach Art eines Fußballspiels denken: Da treten nicht zwei Mannschaften nach vorgegebenen Regeln gegeneinander an. Ja, wir teilen noch nicht einmal das Feld, auf dem die Auseinandersetzung stattfindet. Denn ihr Feld ist nicht jenes des logischen, des rationalen Diskurses, wo es um die Kraft des besseren Arguments geht.
Man darf nicht den Fehler machen, da gebe ich Zorn völlig recht, diese Rechten zu unterschätzen. Denn deren Akteure beherrschen das, was man Hegemoniestrategie nennt. Sie haben Gramsci gelesen und dort gelernt: Es geht nicht um Inhalte, sondern um Symbole. Es geht nicht um Diskussionen, sondern um Provokationen. Denn das Ziel ihrer Aktionen (und das ist jeder ihrer Auftritte) ist das „Umdeuten“. Es geht nicht ums Austauschen, Diskutieren, sondern um Deutungshoheit. Um die „Revision des Sichergeglaubten“, wie sie es nennen. Es geht darum, das „linksliberale Dauerfeuer“ zu torpedieren. Was aber ist das Medium des Liberalismus? Das öffentliche Gespräch. Deshalb ist es für die Rechten so wichtig, ihr Personal durchzusetzen. Relevant ist: Wer spricht? Etwa im TV. Und relevant ist: Wo spricht man? Deshalb zählen die Orte: Je repräsentativer desto besser. Es geht ums Einnehmen, ums Umcodieren solcher Orte. Vor allem aber geht es nicht darum, zu argumentieren oder zu diskutieren, sondern seine Position zu markieren und befördern. Bei jedem dieser Auftritte geht es nicht einfach um die Inhalte, sondern um die Performanz, um den Sprechakt. Denn Provokation ist ihr „Kampfmittel“.
Und zuletzt: Die wirklich entscheidende Frage ist nicht, wie geht man mit den rechten „Vordenkern“ und Aktivisten um. Spätestens wenn die Rechten an der Macht sind – und das ist zu spät –, zeigt sich: Das Problem ist die Masse ihrer Wähler. Jene Masse, die sie an die Macht gehievt hat. Jene Masse, der logische Fehlschlüsse herzlich egal sind. Wie geht man mit denen um? Wie redet man mit ihnen? Das ist die entscheidende Frage.
Isolde Charim ist freie Publizistin und lebt in Wien.
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